Re: Re: Herpetologie
Ich nehme diese interessante Diskussion mal zum Anlass meine eigene Meinung dazu darzustellen. Die Vorwürfe aber zum Glück auch die Verteidigungen sind ja erheblicher Natur.
Zum ersten was man bedenken muss: Der Beitrag hat nur einen winzigen Teil meiner Arbeit dargestellt. Aussagen, das an Kolonialzeiten erinnernde Sammelaktionen nur von europäischen und nordamerikanischen Instituten durchgeführt werden mag vielleicht für US Institute stimmen, da kenne ich mich nicht aus. Aber nicht für europäische und ganz und gar nicht für meine Person. Wir arbeiten vor Ort sehr eng mit der Wildlife Behörde und mit der Universität zusammen und werden im Land sowohl Staff als auch Studenten ausbilden. Von einer reinen Sammelaktionen kann daher nicht die Rede sein. Und die Europäer und Amerikaner haben auch nicht im eigenen Land alles abgemurkst. Das sind alles reine Stammtischatitüden die mich mittlerweile nerven. Daher hier der vielleicht zu aggresive Ton.
Das Sammeln von Tieren ist auch heute noch Alltag in der wissenschaftlichen Arbeit. Das hat die unterschiedlichsten Gründe, von denen auch einige schon genannt wurden.
Das man aus bisherigen Tierfilmen den Eindruck gewann, dass dort lebende Tiere untersucht und dann freigelassen wurden, liegt nicht an der Arbeit, sondern an dem Sender der tote Tiere nicht zeigen will. Das ist für den Sender immer ein Wagnis. Und da Zyrna schon die Agamen anspricht: Was macht einen denn sicher das es die Art ist um die es sich handelt? Es ist der Vergleich der einzelnen Populationen. In diesem Fall handelt es sich beispielsweise um Acanthocercus atricollis und eventuell die Unterart loveridgei. Erste Untersuchungen zeigen, dass der Unterartstatus wahrscheinlich nicht gerechtfertigt ist und es muss sich zeigen ob die zambische Population überhaupt loveridgei ist. Diese Vergleichsarbeit kann man nur machen wenn man das Tier tatsächlich hat und nicht mit aus der Erinnerung gewonnenen Daten. Es reicht im übrigen nicht aus, einfach nur ein Genprobe zu nehmen und das Tier laufen zu lassen. Die Genetik ist auch nur einer Arbeitsmethode und nicht das non-plus-ultra. Handelt es sich nicht um die Unterart wird das Belegtier noch wichtiger, weil es dann zum Holotypus, zum Namensträger wird. Diese Vergleichende Arbeit ist aber nur ein Aspekt von Sammlungen. Nur in Sammlungen erhält der z.B. Wissenschaftler die Formenkenntniss neue Arten überhaupt zu erkennen. Und auch das immer wieder auch in der DGHT zitierte Bild des Wissenschaftler der wild in der Gegend sammelt, alles tötet, damit er möglichst prahlen kann alle Daten aus den eigenen Tieren gewonnen zu haben ist mehr als nur überzogen. Sammlungen sind ein Archiv, das von jedem Wissenschaftler genutzt wird und die Zeit die ein Wissenschaftler in Museumssammlungen verbringt ist deutlich länger als die der Feldarbeit. Aber das sind nur ein paar wenige Aspekte aus der taxonomischen Sicht.
Sammlungen bergen historisches Material an dem man z.B. die Klimageschichte rekonstruieren kann. Typische Waldarten, die vor 100 Jahren an einem Ort vorkamen, der heute Savanne ist, zeigen uns deutlich die Waldverbreitung zu der Zeit.
Natürlich machen wir auch Verhaltensforschung. Aber mein Spezialgebiet ist nun mal die Systematik und nicht die Verhaltensbiologie. Zudem kommt, dass die Ausfuhrbestimmungen für Lebendtiere deutlich Zeitaufwendiger sind als für Belegexemplare. Zudem hätten wir gar nicht den Platz alle Tiere lebend zu halten. Und lebende Tiere mit Alkoholpräparaten zu vergleichen klingt nur auf den ersten Blick logisch. Wer mal versucht hat an einer lebenden Agame die Schuppen um die Körpermitte zu zählen wird mir beistimmen. Anmerken könnte man, dass sich die Tiere bei dieser Prozedur wahrscheinlich eh zu Tode stressen würden.
Zudem kommt, dass Zambia kaum erforscht ist. In den Sammlungen finden sich nur vereinzelt Tiere und somit ist es nicht möglich wirklich klare Aussagen über den Artstatus der dortigen Populationen zu treffen. Und "nur ins Regal" stellen tun wir die Leichen auch nicht. Museumssammlungen sind aktiv und nicht verstaubt. Ein teil der Sammlung ist immer unterwegs an andere Museen um dort von Spezialisten der Gruppe untersucht zu werden.
Andere kommen an unser Museum um die Tiere bei uns zu untersuchen.
Und bevor man das Verhalten einer Art im Freiland untersucht muss man ja erstmal wissen, was es für eine Art ist. Und es ist auch nicht so, dass man auf jeder Reise von neuem willenlos wieder neu sammelt. Je bekannter der Artinventar, desto gezielter sammelt man. Und auch Herpetologen haben ein gewissen. Auch wenn dies immer bezweifelt wird.
Wie grausam es ist, wenn ein Herpetologe das letzte Tier einer Art sammelt höre ich nun wirklich oft genug. Wie schon mehrfach gesagt wurde, ist die Art dann nicht durch den Herpetologen ausgerottet worden. Zudem gibt es keine ausgestorbene Art die nachweislich durch die Wissenschaft ausgerottet wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dann doch noch mal die nicht kleine Anzahl von Tieren erwähnen die auf dem Transportenwegen von Reptilien-Großhändlern versterben. Das dürften im jahr weiss Gott mehr Tiere sein als ein Herpetologe sammeln kann und diese Leichen haben im Gegensatz zu unseren tatsächlich keinen Wert.
Und wie Ingo schon richtig anmerkt. Wissenschaftler stehen in der Pflicht abzuwägen was und wieviel sie sammeln. Und dieser Pflicht sind sie sich bewusst. Und natürlich liegen auch unentdeckte Arten in Museen, denn wir beschreiben gerade ein solche aber zum Vergleich, wie Ingo auch richtig sagt, braucht man Serien und aus bestimmten Gebieten gibt es die nunmal nicht und Zambia gehört dazu.
Ich hoffe das konnte etwas zur Klärung beitragen,
Philipp
Ich nehme diese interessante Diskussion mal zum Anlass meine eigene Meinung dazu darzustellen. Die Vorwürfe aber zum Glück auch die Verteidigungen sind ja erheblicher Natur.
Zum ersten was man bedenken muss: Der Beitrag hat nur einen winzigen Teil meiner Arbeit dargestellt. Aussagen, das an Kolonialzeiten erinnernde Sammelaktionen nur von europäischen und nordamerikanischen Instituten durchgeführt werden mag vielleicht für US Institute stimmen, da kenne ich mich nicht aus. Aber nicht für europäische und ganz und gar nicht für meine Person. Wir arbeiten vor Ort sehr eng mit der Wildlife Behörde und mit der Universität zusammen und werden im Land sowohl Staff als auch Studenten ausbilden. Von einer reinen Sammelaktionen kann daher nicht die Rede sein. Und die Europäer und Amerikaner haben auch nicht im eigenen Land alles abgemurkst. Das sind alles reine Stammtischatitüden die mich mittlerweile nerven. Daher hier der vielleicht zu aggresive Ton.
Das Sammeln von Tieren ist auch heute noch Alltag in der wissenschaftlichen Arbeit. Das hat die unterschiedlichsten Gründe, von denen auch einige schon genannt wurden.
Das man aus bisherigen Tierfilmen den Eindruck gewann, dass dort lebende Tiere untersucht und dann freigelassen wurden, liegt nicht an der Arbeit, sondern an dem Sender der tote Tiere nicht zeigen will. Das ist für den Sender immer ein Wagnis. Und da Zyrna schon die Agamen anspricht: Was macht einen denn sicher das es die Art ist um die es sich handelt? Es ist der Vergleich der einzelnen Populationen. In diesem Fall handelt es sich beispielsweise um Acanthocercus atricollis und eventuell die Unterart loveridgei. Erste Untersuchungen zeigen, dass der Unterartstatus wahrscheinlich nicht gerechtfertigt ist und es muss sich zeigen ob die zambische Population überhaupt loveridgei ist. Diese Vergleichsarbeit kann man nur machen wenn man das Tier tatsächlich hat und nicht mit aus der Erinnerung gewonnenen Daten. Es reicht im übrigen nicht aus, einfach nur ein Genprobe zu nehmen und das Tier laufen zu lassen. Die Genetik ist auch nur einer Arbeitsmethode und nicht das non-plus-ultra. Handelt es sich nicht um die Unterart wird das Belegtier noch wichtiger, weil es dann zum Holotypus, zum Namensträger wird. Diese Vergleichende Arbeit ist aber nur ein Aspekt von Sammlungen. Nur in Sammlungen erhält der z.B. Wissenschaftler die Formenkenntniss neue Arten überhaupt zu erkennen. Und auch das immer wieder auch in der DGHT zitierte Bild des Wissenschaftler der wild in der Gegend sammelt, alles tötet, damit er möglichst prahlen kann alle Daten aus den eigenen Tieren gewonnen zu haben ist mehr als nur überzogen. Sammlungen sind ein Archiv, das von jedem Wissenschaftler genutzt wird und die Zeit die ein Wissenschaftler in Museumssammlungen verbringt ist deutlich länger als die der Feldarbeit. Aber das sind nur ein paar wenige Aspekte aus der taxonomischen Sicht.
Sammlungen bergen historisches Material an dem man z.B. die Klimageschichte rekonstruieren kann. Typische Waldarten, die vor 100 Jahren an einem Ort vorkamen, der heute Savanne ist, zeigen uns deutlich die Waldverbreitung zu der Zeit.
Natürlich machen wir auch Verhaltensforschung. Aber mein Spezialgebiet ist nun mal die Systematik und nicht die Verhaltensbiologie. Zudem kommt, dass die Ausfuhrbestimmungen für Lebendtiere deutlich Zeitaufwendiger sind als für Belegexemplare. Zudem hätten wir gar nicht den Platz alle Tiere lebend zu halten. Und lebende Tiere mit Alkoholpräparaten zu vergleichen klingt nur auf den ersten Blick logisch. Wer mal versucht hat an einer lebenden Agame die Schuppen um die Körpermitte zu zählen wird mir beistimmen. Anmerken könnte man, dass sich die Tiere bei dieser Prozedur wahrscheinlich eh zu Tode stressen würden.
Zudem kommt, dass Zambia kaum erforscht ist. In den Sammlungen finden sich nur vereinzelt Tiere und somit ist es nicht möglich wirklich klare Aussagen über den Artstatus der dortigen Populationen zu treffen. Und "nur ins Regal" stellen tun wir die Leichen auch nicht. Museumssammlungen sind aktiv und nicht verstaubt. Ein teil der Sammlung ist immer unterwegs an andere Museen um dort von Spezialisten der Gruppe untersucht zu werden.
Andere kommen an unser Museum um die Tiere bei uns zu untersuchen.
Und bevor man das Verhalten einer Art im Freiland untersucht muss man ja erstmal wissen, was es für eine Art ist. Und es ist auch nicht so, dass man auf jeder Reise von neuem willenlos wieder neu sammelt. Je bekannter der Artinventar, desto gezielter sammelt man. Und auch Herpetologen haben ein gewissen. Auch wenn dies immer bezweifelt wird.
Wie grausam es ist, wenn ein Herpetologe das letzte Tier einer Art sammelt höre ich nun wirklich oft genug. Wie schon mehrfach gesagt wurde, ist die Art dann nicht durch den Herpetologen ausgerottet worden. Zudem gibt es keine ausgestorbene Art die nachweislich durch die Wissenschaft ausgerottet wurde. Bei dieser Gelegenheit möchte ich dann doch noch mal die nicht kleine Anzahl von Tieren erwähnen die auf dem Transportenwegen von Reptilien-Großhändlern versterben. Das dürften im jahr weiss Gott mehr Tiere sein als ein Herpetologe sammeln kann und diese Leichen haben im Gegensatz zu unseren tatsächlich keinen Wert.
Und wie Ingo schon richtig anmerkt. Wissenschaftler stehen in der Pflicht abzuwägen was und wieviel sie sammeln. Und dieser Pflicht sind sie sich bewusst. Und natürlich liegen auch unentdeckte Arten in Museen, denn wir beschreiben gerade ein solche aber zum Vergleich, wie Ingo auch richtig sagt, braucht man Serien und aus bestimmten Gebieten gibt es die nunmal nicht und Zambia gehört dazu.
Ich hoffe das konnte etwas zur Klärung beitragen,
Philipp
Kommentar