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Genpool und Verschleppungen, usw.

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  • Genpool und Verschleppungen, usw.

    Über die Gesetzeslage bin ich informiert. Mir geht es mehr um den Wissensstand.
    Mir fällt in mehreren Diskussionen auf, dass als weiteres wichtiges Argument, neben der Gesetzeslage, gegen das Aussetzen ortsfremder Exemplare einer autochtonen Art die Veränderung des lokales Genpools eingesetzt wird.

    Da ich selber kein Biologe bin, tu ich mir ehrlich schwer dieses Argument in manchen Einzelheiten zu verstehen und würde einfach um Aufklärung bitten:

    Was mir unklar ist:
    Wenn ich jetzt hier eine Unke aus dem Wienerwald "klaue" und bösartig in Bayern aussetze, was passiert dann mit den Genen? Passen die Gene nicht, wird die Unke nur kurz ihr Unwesen treiben und bald gegen die ansässige Art verlieren. Wenn sich die Gene behaupten, frag ich mich, ob das im Sinne eines Genaustausches zw. Wienerwaldunken und Bayernunken nicht auch durchaus positiv ist. Jetzt besteht noch die Möglichkeit, dass dieser Genaustausch sich temperorär etabliert, aber z.B. in einem besonders milden Winter von Nachteil ist. - Soweit reicht ja grad noch meine Intelligenz ;-).
    Jetzt bin ich ein Verbrecher und setze eine Wienerwaldunke in Bayern aus. Ok - da sind wir uns ja klar. In welchem Verhältnis steht das aber zu konkreten Realitäten unserer Fauna/Flora. Z.B. dem ständigen Verschleppen biologischen Materials über die gesamte Weltkugel.

    Danke fürs Lesens der ersten Frage - wollte es nur anhand eines konkreten Beispiels darstellen.

    Das zweite:
    Wo immer ich von der Gefährdung der lokalen Fauna/Flora hört, steht eigentlich die Habitatsveränderung immer an einer der ersten Stellen. Wir haben hier z.B. die Diskussion über eine verkehrstechnische Überbrückung des Donauen ... . Jetzt auch im Verhältnis zum ersten Beispiel: Wenn ich in meinem Garten einen Teich baue und damit z.B. zufällig eine funktionierende Brücke zwischen zwei Froschhabitaten mit unterschiedlichem Genpool schaffe. Greife ich damit nicht mehr in die Natur ein, als mit meinem provokativem Unkenbeispiel? Warum wird dann aber die eine Sache so dogmatisch verurteilt, aber die andere Sache als positiv im Sinne des Artenschutzes gewertet.

    Das dritte:
    Wie viele uns, habe ich auch immer so meine Probleme mit plakativen Zeigefingern. Gibt es eigentlich im Bereich Genpoolveränderung durch verschlepptes biologisches Material auch vertrauenswürdiges Untersuchungsmaterial, oder ist das eine Theorie. Also so was in der Art: Kind hat Kaulquappen "gerettet", verschleppt und damit eine Eidechsenpopulation vernichtet (ok - war jetzt wieder plakativ - aber ich hoffe, ich bleibe verständlich).

    Freue mich auf antworten - und nein, -ich rette keine Kaulquappen mehr - sowas hatte ich vor vielen vielen Jahren zum letzten mal als Kind getan ;-)

    lg
    Klemens

  • #2
    Zu 1)

    Natürlich hast Du nicht unrecht. Es gibt so etwas wie eine Grauzone. Niemand weiss was passiert, wenn man Tiere einer disjunkten aber für Laienblicke phänotypisch identischen Population in eine andere verbringt.
    Oft wird gar nix passieren, sich das neue genetische Material stark ausdünnen und kleine schrumpfende isolierte Populationen evtl gar vom Heterosiseffekt profitieren.
    Das ganze ist aber zumindest für spätere Untersuchungen durch Genetiker dann höchst irritierend.
    Vor allem aber: Man kann den outcome nicht vorhersagen und WENN das neue genetische Material sich umfassend verbreitet und, um bei Deinem Beispiel zu bleiben, in mehreren milden Wintern in Folge nix passiert, die Population aber aufgrund dieser Änderung im nächsten harten Winter ausstirbt...was dann? Pech gehabt?
    Einmal ausgesetzt ist der Effekt nicht mehr kontrollierbar. Gerade bei bedrohten Arten gilt es jedes Restrisiko zu vermeiden, schon darum ist das Aussetzen ein absolutes No No.
    Wer kann ausserdem schon sicher sagen, welche Besonderheit eine lokale Population hat, die dann verlorengeht?
    Wer kann garantieren, dass das einbringen neuen genetischen Materials keine schlimmen Spätfolgen hat?
    Wer das kann darf meinetwegen auch mal was aussetzen.
    Aber selbst dann: Ist es nicht traurig, dass es womöglich bald keine reinen Stämme deutscher Europäischer Sumpfschildkröten mehr geben wird, weil alle möglichen Südeuropäer dazugesetzt werden?
    Schön, die Tiere werden vielleicht bunter, was mancher asl positiv empfuinden mag, und da die Winter gerade milder werden, bleiben sie vielleicht ja sogar ähnlich überlebensfit, wie die Alteingesessenen.
    Aber ist das nicht trotzdem schade und der Populationserhalt ein Wert an sich?
    Ich meine mich ausserdem zu erinenrn, dass eine deutsche Smaragdeidechsenpopulation viel von ihrer Frostresistenz verloren hat, nachdem Südeuropäer ausgesetzt wurden. Vielleicht hat ja einer der Forumsbibliophilen den Link dazu parat oder kann mir das bestätigen bzw falsifizieren.
    Ein weiterer Aspekt ist, dass zunehmend festzustellen ist, dass äusserlich identisch aussehende Tiere genetisch hochgradig verschieden sein können. Viele Artbeschreibungen der letzten Jahre beruhen darauf. So kreiert man statt einer Populationsauffrischung dann auch rasch mal eine Neozooeninvasion.
    Last not least ist nicht nur die Verschleppung genetischen Materials zu betrachten. Auch und gerade die Verschlepppung von Parasiten und Krankheitskeimen ist hochbrisant.
    Wenn Du einen an Krebspest erkrankten europäischen Flusskrebs über 10 km in ein Krebspest-freies Gebiet mit einer stabilen Population dieser Art versetzt, ist die Chance groß, dass es in drei Jahren dort keine Krebse mehr gibt, um ein drastisches aber realistisches Beispiel zu geben.

    Zu 2)
    Auch hier hast Du im Grunde recht. Aber nur in extrem seltenen Ausnahmefällen wird eine Brücke aus Gartenteichen Populationen verbinden, die lange genug isoliert voneinander waren, um sich statistisch relevant voneinander zu unterscheiden. Daher ist das Risiko, mehr Schaden anzurichten als ein durch natürliche Prozesse entstandenes neues Kleingewässer gering. Hier ist daher die puffernde Wirkung auf die fortlaufende Vernichtung von Kleongewässern sicher positiver zu werten, als die in diesem Fall besonders unwahrscheinliche negative Beeinflussung von Populationsgenpools. Meist wird so ein Gewässer lediglich eine Ausweitung von Siedlungsgebieten erlauben oder -und das ist dann positiv zu sehen- in evolutionsbiologisch nächster Vergangenheit (meist anthropogen) getrennte Populationen wieder zusammenführen.

    Zu 3)
    Habe leider keine Zeit, was prägnantes herauszusuchen. Vielleicht findet ja wer was zu den Eidechsen und Schildkröten. Beispiele für Verschleppung von Parasiten und Krankheiten gibt es zu Hauf. In den USA wird z.B die Ausbreitung einer hoch infektiösen Amphibienkrankheit auf das Verschleppen von Ködersalamandern quer durch ihr natürliches Verbreitungsgebiet durch Angler zurückgeführt. Vielleicht hat ja auch jemand diesen Link rasch parat.

    Sorry für die Kürze...bin in Eile

    Ingo
    Zuletzt geändert von Ingo; 13.06.2007, 07:39.
    Kober? Ach der mit den Viechern!




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    • #3
      Zitat von Ingo Beitrag anzeigen
      Zu 1)

      Ich meine mich ausserdem zu erinnern, dass eine deutsche Smaragdeidechsenpopulation viel von ihrer Frostresistenz verloren hat, nachdem Südeuropäer ausgesetzt wurden. Vielleicht hat ja einer der Forumsbibliophilen den Link dazu parat oder kann mir das bestätigen bzw falsifizieren.
      Ahoi,

      das würde mich auch sehr interessieren, vlt. kann jemand sagen um welche Population es sich handelt bzw. mit einem Link dienen?

      Zum Unkenbeispiel:

      Wie ist es eigentlich im umgekehrten Falle zu bewerten, wenn man zB. Unken aus dem kühleren Siegburger Raum, in wärme Gebiete zB. Baden Würtembergs aussetzt? Das Beispiel mit der Winterresistenz dürfte dann ja nicht mehr haltbar sein, oder?

      Laienhafte Grüße, Jan

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      • #4
        Hallo Klemens,
        vergiss nicht, dass viele den standorttypischen Genpoool einer Population für per se schützenswert halten. Also ohne nähere Bergündung ob eine Veränderung "gut" oder "schlecht" für die Population wäre.
        Die natürliche Verschiedenheit der Genpoole ist dann das Schutzzziel, das durch Verschleppung von Individuen gefährdet ist.
        Gruß
        Arnd
        Derzeit: Lampropeltis, Rhadinophis und Elaphe

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        • #5
          Nur ganz kurz drei Links:

          http://www.ringelnatter.net/aussetz.htm

          http://www.herp-science.de/dghtserve...howthread.php?

          http://www.amphibienschutz.de/tagungen/metelen_04.htm
          "Ulrich Joger: Die Bedeutung der modernen Systematik für den Amphibien- und Reptilienschutz"

          Grüße
          Michael
          Zuletzt geändert von Podarcis; 13.06.2007, 12:27.
          Tiere & Bücher

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          • #6
            Herzlichen Dank für die Argumente und auch Dokumente. Für mich ist das Thema nicht immer leicht nachvollziehbar und erforschbar.

            @Jan,

            Wie ist es eigentlich im umgekehrten Falle zu bewerten, wenn man zB. Unken aus dem kühleren Siegburger Raum, in wärme Gebiete zB. Baden Würtembergs aussetzt? Das Beispiel mit der Winterresistenz dürfte dann ja nicht mehr haltbar sein, oder?
            Aus den angeführten Beispielen lese ich heraus, dass auch die Stärkung einer bestimmten Art durchaus problematisch werden kann, wenn sie dann beginnt andere Arten zu verdrängen oder zu benachteiligen.

            lg
            Klemens

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            • #7
              Hallo Zusammen,
              Mich würde jezt noch interressieren wie gefährlich Wiederansielungen sind?
              - Artenkonkurenz
              - Genpool -in Bezug zu "benachbarten" (im weiteren Sinne) Vorkommen
              Weiss jemad hierzu Vor und Nachteile zu berichten.

              Um Beim Unken Beispiel zu bleiben,
              Ein Vorkommen ist erloschen, man beschliesst eine Habitatsaufwertung, da im Umkreis von 50Km keine Vorkommen nachgewiessen sind, möchte man diese nun wiederansiedeln.....

              Gruss Alex

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              • #8
                es gibt eine interessante Untersuchung zum Panamakanal. Da hatte man ja befürchtet, dass durch den Kanal Arten in neue Gebiete vordringen und sich dort mangels Räuber etablieren und unkontrolliert zunehmen bzwandere Verdrängen.
                Überraschenderweise hat man auf beiden Seiten eine Zunahme der Artenzahl registriert und keine Verdrängung alter Arten.

                Is nich genau dein Thema aber vielleicht trotzdem interessant. Grundsätzlich sollte man natürlich einfach "vorsichtshalber" keine solchen Experimente machen weil man die Folgen nicht überblicken kann.

                Habe leider keine Quelle dazu. Hatte das mal in einer Zeitung gelesen.

                Gibt unzählige dieser Beispiele...
                Zum Beispiel gibt es in einem Fluss bestimmte Lachse. Dort wurden andere Lachse eingeschleppt die größer sind. Die Männchen dieser Art warten im Hintergrund ab, bis die kleinere Art ihr Balzspiel beendet hat und das Weibchen den Laich ablegt. Bevor das kleinere Männchen nun sein Sperma über den laich stret, flitzt das Männchen der großen art drüber und besamt den Laich.

                Auch hier leider keine Quelle, war ein Tierfilm.
                Zuletzt geändert von MrCus; 14.06.2007, 11:29.

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                • #9
                  Panamakanal? Warum so weit wech.
                  Wir haben den Suezkanal doch quasi vor der Haustür. Stichwort: Lessepsche Wanderer.
                  Nicht alle folgenlos.
                  Aber Neozooen ist nicht ganz das Thema des Threads.

                  Gruß

                  Ingo
                  Kober? Ach der mit den Viechern!




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                  • #10
                    Hallo,

                    Wiederansiedlungen sind ein heikles Thema.

                    Auf eigene Faust sollte so etwas nie gemacht werden. Der Schaden dürfte größer sein als der Nutzen.

                    Der IUCN hat strikte Richtlinien zu Wiederansiedlung erstellt.
                    http://www.iucn.org/

                    Gruß Ingo V.
                    Zuletzt geändert von ingo v.; 14.06.2007, 17:43.

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                    • #11
                      Bei der heutigen gestörten Landschaft, wo die meisten Populationen von Amphibien und Reptilien isoliert von anderen Populationen leben - eine natürliche Vermischung von Genen nicht mehr möglich ist - ergeben sich selbst unter Experten grösste Diskussionen. Zweifellos ergibt sich eine genetische Verarmung wenn nicht öfters mal was neues mitmischt. Ob das strikte festhalten am möglichst "Nicht-Durchmischen" von Populationen die
                      letzte Weisheit ist - wird jedenfalls sogar unter den grössten Kapazitäten der Herpetologie diskutiert und es gibt gegenteilige Ansichten.

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                      • #12
                        Hallo,

                        Auch eine Frage die eine Antwort bräuchte ist: kommen die Tiere im neuen Habitat zurecht wenn die klimatischen und äußern Bedingungen verändert sind ?
                        Wie finden sie je nach dem Zeitpunkt der Aussetzung in ihr Geburtsgewässer zurück ?

                        Populationen haben sich über Jahrtausende gebildet um mit ihrem Habitat zurechtzukommen.

                        Dies mal neben der Gen- Frage.

                        Grüße, Frank
                        DGHT- Kassel , AGAR- Hessen , EGSA und meine Thamnophis

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                        • #13
                          Hallo,

                          Es geht ja nicht um Berührungspunkte benachbarter Gruppen oder geographisch naher Gruppen (wie z.B. eine Verschleppung durch Naturereignisse oder andere Tiere). Wenn ich das richtig verstanden habe, dann sind ja die Verschleppungen durch den Menschen, die ja dann schnell ein paar 100km ausmachen können bedenklich.

                          Meiner Meinung soll man auch die Anpassungsfähigkeit einiger Tiere nicht unterschätzen. Ich habe hier ein paar afrikanische Exemplare von Fröschen, die im Terrarium in meiner Wohnung mit untypischen Klima recht gut überleben.

                          Ich weiß auch nicht, ob das Vorhandensein des Geburtsgewässers oder des ersten Laichgewässers? wirklich sooo wichtig ist, wie oft erzählt wird. Wie erzählt wird, besiedeln Lurche aller Art (auch bufo bufo) Gartenteiche, die gar nicht so alt sind.

                          lg
                          Klemens

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