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Zerstörung eines Zauneidechsenhabitats

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  • Zerstörung eines Zauneidechsenhabitats

    Hallo,

    ich weiss solcherlei Themen gab es in letzter Zeit hier öfters, ich kenne die entsprechenden Beiträge.

    Hier in der Nähe (88250 Weingarten) wird gerade ein völlig unnötiger Fahrradweg (ein paar Meter weiter verläuft ein anderer) sowie ein Parkplatz auf einem ehemaligen Bahngleisgebiet angelegt.
    Das Gutachten (Artenschutzrechtliche Prüfung) darüber ist ein Witz, das liegt mir gerade vor, Beispiele: "Festlegung des Bauzeitraumes in 2-3 Wochen ab Mitte August (Tiere können aktiv ausweichen;Gelegeverluste nicht sehr wahrscheinlich)"... fraglich ob die Tiere die sich in Höhlen und Steinritzen und Gestrüpp verstecken vor einer Planierraupe mit min. 3m breitem Schild davonlaufen, oder einfach im Schotter zerquetscht werden??, "kleinen Bestand in einem ungüstigen Erhaltungszustand". Bis jetzt wurden von Anwohnern schon viele Plattgemachte Blindschleichen (leider ja nicht nach EU Recht geschützt) und Amphibien gefunden. Die "Ausgleichsmaßnahmen" sind genauso ein Witz, diese sind ein paar Hügel und Wurzeln die auf einem kleinen Reststück des ehemaligen Geländes, hingeschüttet wurden.
    Leider wurde ich erst heute auf diese Population aufmerksam, die Anwohner dort kämpfen schon seit Jahren gegen den geplanten Bau in ihrem "Reptilienbiotop" wie man es dort nennt.
    Was könnte man in diesem Fall weiteres tun, ist es überhaupt noch möglich nach Baubeginn? Ist es wirklich Rechtens was man sich hier erlaubt, müssten die Tiere nicht zumindest eingefangen und richtige Ausgleichsflächen geschaffen werden?

    Gruß Dominik

  • #2
    Hallo Dominik,

    da wird wohl nur schwer etwas zu machen sein. Die Gutachten werden normalerweise schon von Leuten angefertigt, die Ahnung haben, aber natürlich auch immer die jeweiligen Bauinteressen berücksichtigen müssen. Nun steht die Zauneidechse etwas überraschend auf der FFH-Liste, weshalb eben alle Vorkommen geschützt und im Falle der Überbauung auch Ausgleichsbiotope geschaffen werden müssen. Das verschafft den Planern einen Haufen Aufträge und Arbeit, da die Art vor allem in Süddeutschland noch weit verbreitet ist. In Oberschwaben ist die Zauneidechse beispielsweise in den meisten Kiesgruben anzutreffen, in weiten Teilen des übrigen Landes auf fast jedem Magerrasen, Legesteinmauern usw.
    Also man darf froh sein, dass die Art auf der FFH-Liste steht und dadurch überhaupt Ausgleichsmaßnahmen usw. eingeleitet werden können. Für andere Arten, wie die genannte Blindschleiche oder die Waldeichse ist so etwas mit Sicherheit nicht notwendig.
    Es ist natürlich immer schade, wenn ein einem persönlich bekanntes Biotop verschwindet, aber im Falle der Zauneidechse ist dies nicht wirklich dramatisch. In Oberschwaben sollten v. a. die Vorkommen des Laubfrosches im Bodenseegebiet, die Kreuzkröten- und Kammmolchpopulationen der Abbaustellen (durch Aufrechterhaltung des Kiesabbaus und Verzicht auf Verfüllung und "Renaturierung") und die Kreuzotterpopulationen der Hochmoore erhalten werden.

    Viele Grüße Thomas
    Zuletzt geändert von geronimo; 28.08.2010, 20:30.
    www.terragraphie.de

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    • #3
      Hallo Thomas,

      ja da hast du wohl recht wenns mal läuft dürfte nicht mehr viel zu retten sein. Mich ärgert es einfach grundsätzlich wenn ein solches Gebiet unnötig zerstört werden muss, da kann man nur den Kopf schütteln.
      Von viel größerem Ausmaß ist aber vorallem die Wiederaufforstung der Kiesgruben in unserem Bereich, da hast du vollkommen recht, hier in der Gegend werden sie ja zum Großteil in Erlenplantagen umgewandelt.

      Gruß Dominik

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      • #4
        Hallo Dominik,

        exakt solche Kurzumtriebsplantagen sowie die Verfüllung mit Bauschutt oder sonstigem Müll oder Erde sind das Ende für die dort vorkommenden FFH-Arten Zauneidechse, Kammmolch, Laubfrosch, Kreuzkröte und in der Oberrheinebene/Albvorland auch Wechselkröte. Interessiert meist niemanden, da auf diese Weise aus "wertlosem Ödland" noch gut Geld gemacht werden kann. Die Bereitstellung zur Verfüllung bringt den Betreibern nochmal ähnlich viel Geld wie der Abbau der Materialien. Eher positiv zu werten sind dagegen der Betrieb von Motocross-Strecken, Quads o.ä.

        Häufig muss der Naturschutz, also in solchen Fällen die regional zuständigen Ortsgruppen von NABU, BUND u.ä. erst noch für einen solchen Schutz sensibilisiert werden. Häufig sind Wert und Bedeutung solcher Gebiete nur wenig bekannt. Ähnliches gilt, neben Kiesgruben und Steinbrüchen, für Ödländer wie Industriebrachen u. a.

        Viele Grüße Thomas
        www.terragraphie.de

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        • #5
          Hallo Dominik, Thomas,

          derartige Aktionen sind übrigens nicht auf Baden-Württemberg beschränkt.
          Auch bei uns in NRW werden Lebensräume sinnlos zerstört; die beiden Bilder zeigen eine kleine Sandgrube und was daraus wurde.

          In der Sandgrube lebten (und reproduzierten) Zauneidechsen, Blindschleichen und Schlingnattern sowie Berg- und Teichmolche, Grünfrösche sowie Erd- und Kreuzkröten.
          Darüber hinaus brüteten mehrere Dutzend Uferschwalben in einer Sandböschung (nicht abgebildet).

          Die Rückführung in eine Aufforstungsfläche war wohl schon lange beschlossenen Sache, aber sehr ärgerlich ist, dass die Amphibien und Reptilien vor der Nutzungsänderung nicht abgefangen und umgesiedelt wurden (im unmittelbaren Umfeld gibt es ausreichend geeignete Lebensräume).

          Statt dessen hat im Spätherbst ein Bagger innerhalb kurzer Zeit Tatsachen geschaffen und das, obwohl die Vorkommen genau bekannt waren.

          Daher würde ich versuchen, Dominik, zumindest die Tiere (nach Rücksprache mit der UL) abzufangen und gezielt umzusiedeln.


          Gruß
          Alexander
          Zuletzt geändert von Alexander Schrey; 18.09.2010, 16:52.

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          • #6
            Hallo Thomas und Alexander,

            das viele örtliche Naturschutzgruppen häufig in Sachen Reptilien und Amphibien (bis auf Amphibienzäune, das läuft wirklich ganz gut) nicht so sehr aktiv sind ist leider traurige Tatsache, der Großteil angagiert sich hier in meiner Umgebung für Vögel, Fledermäuse und co.. Da das Interesse fehlt fehlt dann eben auch das Wissen um diese Tiere, Lebensräume und deren Schutz. Es sind meist nur Einzelpersonen die dann noch für solche Tierarten besonderes Interesse hegen und sich darum kümmern.
            Unseren Kreuzottern muss man sagen geht es noch relativ gut, dadurch dass ihre Vorkommen meist in den geschützten Moorgebieten liegen und in manchen bewaldeten Rieden jetzt glücklicherweise ein Trend zur Wiedervernässung stattfindet, so dass die Kiefernwälder absterben.

            Das Abfangen ist jetzt leider zu spät, wie gesagt rollen die Bagger bereits, der Teil der stehen bleiben sollte steht noch und es haben scheinbar zum Glück wenigstens einige Zauneidechsen in diesem Bereich überlebt, vielleicht kann sich wenigstens eine kleine Population halten.

            Gruß Dominik

            @Alexander das muss wirklich ein super Biotop gewesen sein, sowas ist einfach sch....
            Zuletzt geändert von Lagarto; 30.08.2010, 19:10.

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            • #7
              Zitat von Lagarto Beitrag anzeigen

              das viele örtliche Naturschutzgruppen häufig in Sachen Reptilien und Amphibien (bis auf Amphibienzäune, das läuft wirklich ganz gut) nicht so sehr aktiv sind ist leider traurige Tatsache, der Großteil angagiert sich hier in meiner Umgebung für Vögel, Fledermäuse und co.. Da das Interesse fehlt fehlt dann eben auch das Wissen um diese Tiere, Lebensräume und deren Schutz.
              Das hätte ich nicht besser wiedergeben können, Dominik.
              Dies entspricht exakt der hiesigen Situation: Würde ein einziges Gelege des in diesem Lebensraum brütenden Ziegenmelkers zerstört (oder von Wildschweinen zerlegt), wären Abhilfe- bzw. Schutzmaßnahmen sicher; bei Amphibien und Reptilien ist keinerlei Initiative der Gebietsbetreuer erkennbar.

              Ich bin weit davon entfernt, Tiere gegeneinander "aufzurechnen", aber das Desinteresse an der lokalen Herpetofauna, von dem auch Du berichtest, ist offenbar kein Einzelfall.

              Nichtsdestotrotz haben die Kreuzkröten das flache Gewässer, das die ersten Fichtensprösslinge in diesem Jahr verfaulen läßt, im Frühsommer noch einmal zum Ablaichen genutzt; rund um die leer geräumte Fläche (s. Bild o.) findet man augenblicklich Dutzende frisch metamorphisierte Juvenile.

              Zahlreiche Zauneidechsen (Adulte und juvenile) konnte ich am Waldrand sehen.

              Noch, bis in zwei, drei Jahren alles beschattet und dieser Lebensraum endgültig verloren ist.

              Gruß
              Alexander
              Zuletzt geändert von Alexander Schrey; 31.08.2010, 16:54.

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              • #8
                Hoi zsammen,

                es sieht überall nciht gut aus bei Ausgleichsmassnahmen und Umsiedlungsaktionen von Reptilien & Amphibien aus. Die FFH Richtlinie war eigentlich dafür gedacht, Populationen (neben Gebieten) zu schützen, die nicht in ebensolchen Gebieten leben. Davon scheint aber wenig Gebrauch gemacht zu werden, da man ja Umsiedeln kann... Interessant und schon mal gepostet: http://www.bund-bawue.de/fileadmin/b...Plaene_ges.pdf

                Auch hier in Mannheim ist es eigentlich wieder soweit, dass ne ordentliche Presseaktion laufen müsste. Auch wieder ein neuer Stadtteil auf altem Bahngelände (woher kommt eigentlich in den Krisenzeiten soviel Geld ständig neue Stadtteile zu bauen?). Es wird in einem Jahr abgefangen und umgesiedelt, drumherum ein Zaun aufgestellt aus groben Material, damit Eidechsen nicht wieder einwandern können, wird schon in gutem Zustand überklettert (Beobachtungen), im Winter nicht gewartet, so dass grosse Teile nicht mehr vorhanden sind, auf dem Boden liegen, überfahren worden sind. Das abgefangene Teilstück wird also wieder besiedelt, ein anderes neu abgefangen. Geld ist nur für 200 Exemplare vorhanden, damit wird die Abfangaktion gestoppt, obwohl inzwischen wieder überall Eidechsen vorkommen und deutlich mehr als 200 Exemplare...

                Ein gutes Beispiel für oftmals wenig vorhandenen ökologischen Kenntnisse von Arten sei dieser Bericht genannt (S. 9): http://www.schwaigern.de/images/aktu...071031_071.pdf Hier wird als Ausgleichsmassnahme und Umsiedlungsgebiet für Zauneidechsen eine 20-40 m lange und 1,5-2m hohe Trockenmauer vorgeschlagen und wurde wahrscheinlich auch so umgesetzt.

                Schlingnattern wurden auch schon eingefangen, für die Baumassnahmen etliche Monate zwischengehältert und dann kurz vor dem Winter in dem komplett veränderten Habitat wieder ausgesetzt.

                Das sind nur drei weitere Beispiele.

                Ein anderes Problem ist das Monitoring, dessen Ergebnisse nur mit einem erheblichen Aufwand zu bekommen sind udn auch nur, wenn man in dem Einzugsbereich der entsprechenden Massnahme wohnt (Umweltinformatiosgesetz). Somit hat bisher niemand tatsächlich einen Überblick, in wie weit, ob und wieviele Massnahmen tatsächlich in welchem Unfang erfolgreich waren. Hier sind wir gerade in der Überlegung eine Landtagsanfrage in BW durchzuführen.

                Und eine ganz andere Geschichte sind die Pflegemassnahmen, die über 25 Jahren durchgeführt werden müssen... Erste Berichte über Einstellungen nach weniger als fünf Jahren habe ich auch schon gehört, aber bisher nicht verifizieren können.

                Nun denn, es gibt viel zu tun. Ich hoffe, auf ergebnisreiche Gespräche an der DGHT Tagung. An weiteren Berichten von (auch gelungenen Massnahmen/Projekten) wäre ich sehr interessiert!

                Herzliche Grüsse
                Nicolá
                seit über 16 Jahren der Herpetologie verfallen (mehr darfs ja nicht sein, wenn man erst 17 ist )

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                • #9
                  Zitat von Nicolá Lutzmann Beitrag anzeigen
                  ...

                  Ein gutes Beispiel für oftmals wenig vorhandenen ökologischen Kenntnisse von
                  hätte ich dann auch noch, Nicolá (auch wenn das vom Ursprungsthema nun abweicht).

                  Die Bilder sind mehr oder minder selbsterklärend: "Alt" zeigt einen funktionierenden Lebensraum für Zauneidechsen und Kreuzkröten; in dieser Ziegelschüttung überwinterten und reproduzierten zudem Schlingnattern.

                  Nachdem die Ziegelschüttung dann trotz Hinweises an die Behörden zerstört wurde, hat zuerst das schlechte Gewissen und dann der ökol. Sachverstand gewütet und zur Anlage einer neuen Ziegelschüttung geführt (s. Bild "Neu).

                  Ich beantrage gerade eine Busverbindung für die Schlingnattern, damit sie diese Schüttung auch erreichen...

                  Gruß
                  Alexander
                  Zuletzt geändert von Alexander Schrey; 18.09.2010, 16:52.

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