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Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

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  • #16
    Re: Re: Re: Re: Re: Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

    Paule schrieb:
    Na, dann schau Dir doch mal die Threads zu diesem Thema an u. vergegenwärtige Dich mal deren Folgen.
    Hallo Paule

    Womit wir wieder einmal mehr neben und nicht beim Thema wären... schade eigentlich...

    Wie wär's mit einem Deal? Da Du ohnehin nicht mit diskutieren willst, laß doch einfach mal die Anderen machen und beobachte das Geschehen.

    So, und jetzt fände ich es viel schöner, wenn wir zum eigentlichen Thema wieder zurück kommen, sonst wird's ne Analyse über Forendiskussionen.

    schöne Grüße

    Eva




    [[ggg]Editiert von eva1 am 24-06-2005 um 20:19 GMT[/ggg]]

    Kommentar


    • #17
      Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

      Hallo zusammen

      Sodele, jetzt will ich mal meine ersten Gedanken zum bereits Geschriebenen beisteuern.

      Ich möchte hier auf die schöne Beschreibung der Lebensweise im natürlichen Lebensraum der europäischen Landschildkröten erinnern, die Wolfgang Wegehaupt auf seiner HP stehen hat. In ähnlicher Weise haben es mir auch andere Biotop-Beobachter (geschulte Biologen genauso wie "Amateure") geschildert. -> http://www.testudo-farm.de/lebensweise.htm und --> http://www.testudo-farm.de/n-lebensraum.htm
      Allerdings gibt es entgegen seiner Beschreibung wissenschaftliche Darlegungen darüber, daß die Schildkrötenmännchen in freier Natur nicht das ganze Jahr über paaren, im Gegensatz zu sehr vielen Tieren in menschlicher Obhut. Also ein erster Kompromiss für unsere Tiere, mit dem sie zurecht kommen müssen.

      Generell stelle ich in den Foren fest, daß man zwischen Jungtieren und adulten Tieren oft unterscheidet. Ich frage mich warum? Haben adulte andere Ansprüche als juvenile Landschildkröten?
      Ich meine, daß es viele Faktoren gibt, die auf alle Europäischen Landschildkröten zutreffen, egal ob juvenil oder adult.

      Was die Platzverhältnisse angeht, meine ich, ist jedes noch so große Gehege kein adäquater Ersatz für die mehrere 100 qm großen Reviere der Schildkröten in freier Natur; egal, ob wir 30, 50 oder 100 qm große Gehege für Einzeltiere oder ganze Gruppen anlegen. Also ein zweiter Kompromiss für die Tiere bei uns.

      Weder von der Sonnenintensität, noch der UV-Einstrahlung, noch der Regenarmut, noch vom Futterangebot her, usw. ist das Leben bei uns mit dem natürlichen Biotop auch nur annähernd vergleichbar. Also weitere Kompromisse für die Tiere bei uns.

      Jeder Halter interpretiert das Verhalten seiner Schildkröten nach seinem Gutdünken, nach seinen bisherigen Erfahrungen mit Natur allgemein, mit Tieren allgemein, nach seinem Verständnis für Reptilien im Speziellen. Entsprechend verfährt er mit seinen Tieren. Also u. U. weitere Kompromisse für die Tiere bei uns. Obwohl oder vielleicht gerade weil wir alle möglichen Gefahren für sie ausschließen wollen?

      In freier Natur steht es den Schildkröten frei, mit wem sie sich Seite an Seite gesellen oder wem sie lieber aus dem Weg gehen. In menschlicher Obhut stellt der Mensch nach seinen Vorstellungen, seinen Möglichkeiten, seinen Auslegungen von Schildkrötenhaltung und nach seinem Geldbeutel die Gruppen zusammen. Also ein weiterer Kompromiss für die Tiere bei uns.

      Ist es unter diesen Umständen noch berechtigt zu fragen, ob Stress nicht auch ein natürlicher (zumutbarer) Faktor wäre, ob "aggressives" Paarungsverhalten nicht natürlich wäre? Sollten wir die Jungtiere wirklich gemeinsam aufziehen? Wenn ja, warum?
      Ist es unter diesen Umständen überhaupt noch berechtigt, von den natürlichen Lebensbedingungen auf die erforderlichen Bedingungen in Gefangenschaft zu schließen?

      Das war's für's Erste von meiner Seite. Bin mal gespannt, was andere dazu meinen.

      Schöne Grüße

      Eva

      Kommentar


      • #18
        Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

        Hallo Eva! Da es sonst keiner tut geb ich mal meinen Senf dazu. Zumal ich in einigen Dingen widersprechen muß.
        Es ist hinlänglich bekannt, das mänl. Schildkröten sich in freier Natur -also unter optimalen Bedingungen- nicht ganzjährig paaren. Warum sollten Sie das dann in Gefangenschaft, unter eher suboptimalen Bedingungen tun? u selbst sprichst doch davon, dass weder Futterangebot, Regenarmut, Lichtintensität, Platzangebot etc. ist das Leben in unseren Freigehegen mit dem im natürlichen Habitat vergleichbar. Auch habe ich eine ganzjährige Verpaarung (vermute Du meinst die Sommermonate) bisher weder beobachten können, noch habe ich von Beobachtungen durch andere Halter davon gehört.
        Die Tierhaltung, insbesondere von Wildtieren bedeutet immer Kompromisse für die Tiere. Daher sollten die Pfleger auch um eine möglichst artgerechte Haltung bemüht sein.
        Ja, Stress gehört sicher zu einem artgerechten Leben. schließlich sind die Tiere diesem auch in der freien Natur ausgesetzt. In der Gefgangenschaft sollte man diesem entgegentreten, indem man die Tiere in genügend großen, gut strukturierten Freigehege , mit einem günstigen Geschlechterverhältnis hält.
        Das eine gemeinsame Aufzucht von Jungtieren durchaus Sinn macht und wohl auch als Artgerecht zu bewerten ist, solltest Du wissen. Schließlich verstecken sich die Jungtiere in der Nähe des Ablageplatzes unter Gestrüpp und Grass in Gruppen und verharren dort über einen längeren Zeitraum. Hr. Wegehaupt bezeichnet diese Phase auch als Prägephase!
        Das die Haltungsbedingungen sich von den der Adulten unterscheidet, zeigt sich doch schon in den Verhaltensmustern der Schlüpflinge, die sich in einem deutlich feuchteren Milieu aufhalten. Uns ist allen bekannt, dass die Pflege der Schlüpfling in feuchtem Milieu sich positiv auf den Gesundheitszustand auswirkt.
        Nein man kann nicht immer von den Ansprüchen im natürlichen Habitat auf die in der Gefangenschaftshaltung interpretieren. Dieses erfordert Beobachtungsgabe und individuelles Handeln seitens des Pflegers. Ich selber halte eine Gruppe von 2,8 T.h.boettgeri problemlos ganzjährig in einer Gruppe.
        Du selbst bringst doch die Seiten aus www.testudo-farm.de an, dann müßtest Du auch die Ausführung zum Thema Einzel/Gruppenhaltung kennen, u. damit einige Deiner gestellten Fragen überflüssig sein.

        Hier noch einige Zitate aus dieser Ausführung, denen ich nur zustimmen kann:

        .... Bei der gesamten Haltung von europäischen Landschildkröten sollte die Natur als Vorbild dienen. Ob das auch bei der Frage der Einzel- oder Gruppenhaltung sinnvoll ist, muss jeder für sich und vor allem individuell für die von ihm gehaltenen Schildkröten entscheiden....

        ....dass adulte europäische Landschildkröten in den ursprünglichen Habitaten Einzelgänger sind. Ich habe jedoch gleichzeitig immer zum Ausdruck gebracht, dass das Wort Einzelgänger nicht mit Einzelhaltung gleichzusetzen ist.....

        ....Im Gegensatz zu ihren Eltern suchen die Schlüpflinge den Kontakt zu ihresgleichen und sitzen oft zu mehreren im dichten Pflanzenfilz.
        ....In dieser Zeit findet eine Art Prägung statt......

        Grüße Paule




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        • #19
          Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

          >
          Hallo Paule

          Paule schrieb:
          Da es sonst keiner tut geb ich mal meinen Senf dazu. Zumal ich in einigen Dingen widersprechen muß.
          Prima!
          Es ist hinlänglich bekannt, das mänl. Schildkröten sich in freier Natur -also unter optimalen Bedingungen- nicht ganzjährig paaren. Warum sollten Sie das dann in Gefangenschaft, unter eher suboptimalen Bedingungen tun?
          Wegen ihrer veränderten Hormonlage in menschlicher Obhut, bzw. in Gruppenhaltung. Diese Arbeit: Huot-Daubremont, C., S.D. Bradshaw, F.J.Bradshaw, G.Kuchling. (2003) "Variation of plasma sexsteroid concentrations in wildand captive populations of Hermann stortoise (Testudo hermanni hermanni)in Southern France", General and Comparative Endocrinology 130:299–307 belegt das sehr schön. Die Tiere, die von den Forschern in Südfrankreich in temporäre Gehege gegeben wurden, hatten allesamt einen wesentlich geringeren Sexualhormonspiegel (bis zu 2/3!), als die Tiere, denen an Ort und Stelle Blut abgenommen wurde. Für diese Veänderung genügte bereits ein dreitägiger Aufenthalt in einem Gehege. Dies ging auch aus einer vorangegangen Untersuchung von Gerald Kuchling ein Jahr vorher hervor. Um die Ergebnisse zu verifizieren, kontrollierte man einen Zuchtbestand in Österreich; mit dem gleichen Ergebnis. Entscheidend für das veränderte Verhalten der Männchen führten die Forscher den Umstand auf, daß die freilebenden Tiere im Frühjahr und Spätsommer sogenannte Hormon-Peaks haben, die den untersuchten Tieren in menschlicher Obhut eindeutig fehlten.
          Auch habe ich eine ganzjährige Verpaarung (vermute Du meinst die Sommermonate) bisher weder beobachten können, noch habe ich von Beobachtungen durch andere Halter davon gehört.
          Ich meine durchaus die gesamte Aktivitätsperiode von nach der Winterruhe bis zum Herbst.
          Deine Beschreibungen widersprechen sich jedoch mit den Beschreibungen in vielen Forenbeiträgen, den Schilderungen mir bekannter Halter und dem, was ich bei diversen Züchtern beobachtet habe.
          Bei richtiger, wirklich artgerechter Haltung dürfte hier jedoch kein Unterschied zu verzeichnen sein.
          Ja, Stress gehört sicher zu einem artgerechten Leben. schließlich sind die Tiere diesem auch in der freien Natur ausgesetzt. In der Gefgangenschaft sollte man diesem entgegentreten, indem man die Tiere in genügend großen, gut strukturierten Freigehege , mit einem günstigen Geschlechterverhältnis hält.
          Ich traue den Tieren durchaus zu, daß sie mit einem gewissen Maß an Stress gut umgehen können, denn sonst wären sie bereits ausgestorben. In freier Natur haben sie jedoch die optimalen Bedingungen, an die sie seit Jahrtausenden adaptiert sind. Ich meine aber, daß mangelnde Temperaturen und Sonneneinstrahlung, deutlich geringere Platzverhältnisse, ein verändertes Futterangebot, etc. bei uns für sie bereits ein sehr großes Stresspotential darstellt. Sollte man den Schildkröten noch mehr zumuten?
          Du selbst bringst doch die Seiten aus www.testudo-farm.de an, dann müßtest Du auch die Ausführung zum Thema Einzel/Gruppenhaltung kennen, u. damit einige Deiner gestellten Fragen überflüssig sein.
          Schön, daß Du das erwähnst!
          W. Wegehaupt schreibt auf seiner HP:
          ....dass adulte europäische Landschildkröten in den ursprünglichen Habitaten Einzelgänger sind. Ich habe jedoch gleichzeitig immer zum Ausdruck gebracht, dass das Wort Einzelgänger nicht mit Einzelhaltung gleichzusetzen ist.....
          Für ihn gelten also (adulte) europäische Landschildkröten als Einzelgänger.
          Die Lebensform als Einzelgänger erfordert ganz sicher nicht gleichzeitig ein völliges Eremitendasein, denn sonst wäre z. B. eine Fortpflanzung nicht möglich. Schildkröten gelten laut Immelmann et al. ("Einführung in die Verhaltensforschung", (1996), Pareys Studientexte 13, Blackwell Wissenschaftsverlag, Berlin) als Kontakttiere (wie z. B. auch viele Affen und Halbaffen, Igel, Schweine, manche Eidechsen, Salamander, Aale, Muränen, etc.) Sie sind also (im Gegensatz zu den Distanztieren, wie Widerkäuer, Möven, Schwalben, Stare, etc.), trotz einem Leben als Einzelgänger, in der Lage körperlichen Kontakt zu dulden. Das ist nicht gleichbedeutend damit, daß sie den Kontakt benötigen würden. Würden sie ihn nämlich benötigen, dann wären Schildkröten keine Einzelgänger, sondern Rudeltiere. Und Rudeltiere wiederum leben laut Immelmann et. al. in der Gruppe zur "Arbeits- und Aufgabenteilung" mit einer z. T. sehr differenzierten Gruppenstruktur. Das ist bei Schildkröten devinitiv nicht der Fall.
          Also gebe ich hier W. Wegehaupt durchaus recht in seiner Beurteilung der Lebensform einer Schildkröte als Einzelgänger.
          W. Wegehaupt schreibt auf seiner HP:....Im Gegensatz zu ihren Eltern suchen die Schlüpflinge den Kontakt zu ihresgleichen und sitzen oft zu mehreren im dichten Pflanzenfilz.
          Diese Aussage widerspricht in allen Teilen sowohl den diversen Beobachtungen verschiedener Beobachter/Forscher, als auch den Ausführungen in oben genanntem Buch. Warum sollten oder könnten Schildkröten als Jungtiere eine andere Lebensform (ich meine damit nicht die Bevorzugung eines anderen Mikroklimas!) haben als ihre Eltern?

          Beate Pfau, z. B., schrieb in einem früheren Thread bereits:
          Beate Pfau schrieb:
          ( http://www.dghtserver.de/foren/viewtopic.php?TopicID=31265#225269 ) Wir haben bei unseren Untersuchungen wirklich immer nur einzelne Jungtiere (an verhältnismäßig feuchten Stellen) gefunden, obwohl wir jedes Mal nach einem Fund intensiv nach weiteren Tieren gesucht haben.

          und

          ( http://www.herp-science.de/dghtserver/foren/viewtopic.php?TopicID=33151&page=1#242853 ) Durch Wiederholung wird die Aussage nicht besser, sondern z.B. durch Zählungen. Ich habe in der ökologischen Literatur bisher nur Hinweise darauf gefunden, dass Jungtiere sehr versteckt leben und dass immer nur einzelne Jungtiere gefunden wurden. Für Hinweise auf weitere Untersuchungsberichte bin ich dankbar!
          Bis heute kamen dazu keine belegbaren, gegenteiligen Angaben.
          Paule schrieb:
          Das die Haltungsbedingungen sich von den der Adulten unterscheidet, zeigt sich doch schon in den Verhaltensmustern der Schlüpflinge, die sich in einem deutlich feuchteren Milieu aufhalten. Uns ist allen bekannt, dass die Pflege der Schlüpfling in feuchtem Milieu sich positiv auf den Gesundheitszustand auswirkt.
          Ein momentanes Bedürfnis der Jungtiere und ein daraus folgendes, instinktgesteuertes Verhalten, sich an feuchteren Stellen aufzuhalten, ist m. E. nicht dazu geeignet, sie deshalb als Rudeltiere zu betrachten.
          W. Wegehaupt schrieb auf seiner HP:
          ....In dieser Zeit findet eine Art Prägung statt......
          Diese Aussage kann gar nicht richtig sein, denn eine Prägung erfordert laut Immelmann et al. immer Prägephasen zu einer ganz bestimmten, während der Entwicklung stattfindenden und genau festgelegten Zeitphase. Geprägt werden die Jungtiere nur durch ihre Eltern durch deren Erziehung und Unterweisung. Z. B. erlernt ein Buchfink in einem Stieglitznest das Verhalten und den Gesang des Stieglitz', weil es ihm die Stieglitzeltern so vormachen.
          Eine artgerechte Prägung ist also abhängig vom Kontakt zu gleichartigen, bereits vollständig und "richtig" geprägten, also erwachsenen (Eltern)tieren. Die Jungtiere können sich nicht gegenseitig prägen, denn sie verhalten sich ja noch "wertfrei", also nicht artgerecht.

          Schildkröten betreiben ja ganz offensichtlich keine Brutpflege (nicht zu verwchseln mit Brutfürsorge z. B. bei der Bewachung von Eigelegen). Also haben Jungschildkröten allein schon aufgrund ihrer sehr versteckten Lebensweise in keiner festgelegten Entwicklungsphase regelmäßigen Kontakt zu ihren Eltern oder anderen adulten Tieren. Sie sind auch nicht darauf angewiesen, sonst müssten wir sie ja, wie Hundewelpen, nach dem Schlupf sofort gemeinsam mit den Elterntieren aufziehen, weil sie sonst keine Überlebens- und Fortpflanzungschancen hätten.
          Bei solchen Tierarten gibt die Natur, weil sie nichts dem Zufall überlässt, sämtliche arteigenen Instinkte und Verhaltensmuster bereits im Erbgut mit. Diese Verhaltensweisen werden allenfalls durch einen späteren individuellen Lernprozess verfeinert.

          Aber vielleicht hat Wolfgang Wegehqaupt dazu mittlerweile doch eine etwas veränderte Ansicht gewonnen, denn sonst hätte er sich sicher nicht bei der Anti-Einzelhaltungs-Petition wieder ausgetragen.
          Nein man kann nicht immer von den Ansprüchen im natürlichen Habitat auf die in der Gefangenschaftshaltung interpretieren. Dieses erfordert Beobachtungsgabe und individuelles Handeln seitens des Pflegers.
          Darin gebe ich Dir zu 100% recht.

          Schöne Grüße

          Eva




          [[ggg]Editiert von eva1 am 26-06-2005 um 17:33 GMT[/ggg]]

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          • #20
            Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

            Hallo Zusammen,
            ich will hier keinen wissenschaftlichen Untersuchungen vorgreifen, ich bin auch lediglich ein „Hobbyherpetologe“. Aber ich (und mittlerweile auch mein Sohn Manuel) sitze und gehe seit nunmehr über zwei Jahrzehnten mehrmals im Jahr in sehr vielen Schildkrötenhabitaten im Mittelmeerraum mit offenen Augen und Ohren und kenne so manche Schildkröte in ihrem natürlichen Habitat schon persönlich. Besonders diese Habitatserfahrungen versuche ich auf meiner Homepage und auch in meinen Büchern rüberzubringen.
            Meine persönliche Meinung zu dem vorliegenden Thema ist, denke ich, auch soweit bekannt.

            Eva, ich muss, dich und auch viele andere immer wieder für deine Ausdauer in den Foren bewundern, leider habe ich hierfür nicht die nötige Zeit darum nur so viel.
            Der Begriff Prägung wird in der Tierverhaltensforschung für den unaufhebbaren Eindruck, den erste Kontakte auf ein gerade geborenes Lebewesen machen verwendet. Er hat überhaupt gar nichts mit irgendeiner Lernfase zu tun. Als klassisches Beispiel gelten die Jungenten die mangels Eltern nach dem Schlüpfen aus dem Ei auf den Menschen, als „Muttertier“ geprägt werden. So werden beispielsweise auch allein aufgezogene Schildkröten auf Schuhe oder Steine geprägt.

            Eva und Rolf, es ist absolut richtig, dass sich Schildkröten in der Natur regelmäßig nur im Frühjahr und im Herbst paaren. Das ist auf meiner Homepage mit der Formulierung, „obwohl sich Schildkröten das ganze Jahr über paaren ist das Frühjahr und der Herbst die Hauptpaarungszeit“ sicher nicht ideal formuliert. Ich werde das bei Gelegenheit berichtigen.

            Zu den übrigen Ausführungen zu vorliegendem Thema darf ich auf meine Homepage verweisen, hier sind meine Beobachtungen in den Heimatbiotopen, auch was ich unter „Heimatbiotopen“ verstehe, nachzulesen. Nicht alle Beobachtungen, die auch von Wissenschaftlern in vermeintlichen ursprünglichen Biotopen, und hierzu zähle ich alle südfranzösischen, (dort gibt es solche schon lange nicht mehr), gemacht werden, können als Beobachtung im natürlichen Lebensraum bezeichnet werden.

            Wenn jemand trotz intensiver Suche noch nie mehrere Jungtiere (Schlüpflinge) engbeieinander im unmittelbaren Umkreis gefunden hat, bedeutet das nicht notwendigerweise, dass es sie nicht gibt. Das es sie gibt kann ich durch zahlreiche Bilder beweisen. Auch habe ich selbst schon mehrfach schlüpfende Schildkröten in natürlichen Lebensräumen beobachtet.

            Die Löschung aus der „Anti-Einzelhandels-Petition“ habe ich veranlasst, als ich zu diesem Thema auf meiner Homepage meine persönliche Meinung veröffentlicht habe.

            Ich wünsche der Diskussion noch viele konstruktive Beiträge und weiterhin solch einen friedlichen Verlauf.
            Schönen Gruß vom sonnigen Bodensee
            Wolfgang

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            • #21
              Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

              Hallo Eva,

              Was die Platzverhältnisse angeht, meine ich, ist jedes noch so große Gehege kein adäquater Ersatz für die mehrere 100 qm großen Reviere der Schildkröten in freier Natur; egal, ob wir 30, 50 oder 100 qm große Gehege für Einzeltiere oder ganze Gruppen anlegen. Also ein zweiter Kompromiss für die Tiere bei uns.
              Ein grundsätzlicher Kompromiss bei nahezu jeder Tierhaltung

              Weder von der Sonnenintensität, noch der UV-Einstrahlung, noch der Regenarmut, noch vom Futterangebot her, usw. ist das Leben bei uns mit dem natürlichen Biotop auch nur annähernd vergleichbar.
              Bei europ. Landschildkröten sehe ich das nicht so, wobei hier die einzelnen Regionen Deutschlands natürlich zu berücksichtigen sind. Sowohl am Bodensee, aber auch hier bei Karlsruhe sind die Bedingungen sehr wohl vergleichbar. Letztendlich ist es trotzdem ein Kompromiss, ob es jedoch Stress verursacht, oder sich negativ auf die Tiere auswirkt, kann man so einfach nicht sagen, und hängt wohl von den gesamten Bedingungen ab.

              Ich meine aber, daß mangelnde Temperaturen und Sonneneinstrahlung, deutlich geringere Platzverhältnisse, ein verändertes Futterangebot, etc. bei uns für sie bereits ein sehr großes Stresspotential darstellt. Sollte man den Schildkröten noch mehr zumuten?
              Wir haben zwar geringere Temperaturen und Sonneneinstrahlungen, aber zumindest die Temperaturen werden mittels Frühbeet und Gewächshaus ungefähr ausgeglichen. Gegen die geringere Sonneneinstrahlung kann man nicht viel machen, außer diese zu simulieren, aber ich denke, geringere Werte sind nicht automatisch Stress, denn auch in den Biotopen herscht nicht jedes Jahr das gleiche Wetter, wie auch bei uns. So gibts mal nen heissen Sommer, dann mal wieder nen weniger heissen Sommer, ..

              Die gleichen Platzverhältnisse können wir natürlich nicht anbieten, aber vielleicht passen sich die Tiere an, wenn das Gehege gross und strukturiert genug ist. Also auch hier ist nicht gegeben, dass es sich um Stress handelt, da sich dieser vielleicht nach Eingewöhnung entschieden gelegt hat.

              Das veränderte Futterangebot sehe ich noch weniger als Stress, denn NZ in unserem Land kennen doch garnicht das Futterangebot von ihrer natürlichen Heimat, also wie kommst Du hier auf Stress? - unsere Pflanzen sind generell vielleicht nicht so kalkhaltig, aber auch das wird doch versucht auszugleichen.

              Gruß,
              Sascha

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              • #22
                Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                Hallo Wolfgang

                Ich verstehe natürlich, daß Beruf und Familie Priorität haben und Du Dich deshalb in den Foren nicht sehr oft zu Wort meldest. Schön finde ich gerade deshalb, daß Du nun hierzu Stellung nimmst.

                Ich fürchte aber, daß Du mit Deiner Definition etwas verkehrt liegst:

                WolfgangW schrieb:
                Der Begriff Prägung wird in der Tierverhaltensforschung für den unaufhebbaren Eindruck, den erste Kontakte auf ein gerade geborenes Lebewesen machen verwendet. Er hat überhaupt gar nichts mit irgendeiner Lernfase zu tun. Als klassisches Beispiel gelten die Jungenten die mangels Eltern nach dem Schlüpfen aus dem Ei auf den Menschen, als „Muttertier“ geprägt werden. So werden beispielsweise auch allein aufgezogene Schildkröten auf Schuhe oder Steine geprägt.
                Immelmann et al. ("Einführung in die Verhaltensforschung". (1996) Pareys Studientexte 13, Blackwell Wissenschaftsverlag, Berlin) schreiben zu dem Begriff Prägung folgendes:

                Zitat Seite 142:
                "Manche Autoren sehen sie (die Prägung) als einen besonderen Lernvorgang an, der sich von anderen Lernprozessen mehr oder minder grundsätzlich unterscheidet, während andere ihr keinen Sonderstatus zuerkennen und sie der Konditionierung im weiteren Sinne zuordnen. Schließlich spricht einiges dafür, daß es sich nicht einmal um eine einheitliche Erscheinung handelt und daß die Besonderheiten auch nicht im Bereich der Informationsaufnahme zu suchen sind.

                Die "klassischen" Fälle:
                Unter Prägung versteht man gemeinhin einen sehr frühen und raschen Lernvorgang mit sehr stabilem Ergebnis. Die "klassischen" Fälle von Prägung beziehen sich auf "objektlos" angeborene Verhaltensweisen, für die auf diese Weise die Kenntnis des zugehörigen Objekts erworben wird. (Aus diesem Grund ist hier die Bezeichnung "Objektprägung" gebräuchlich.) Dabei unterscheidet man zwischen Nachlaufprägung und sexueller Prägung. Erstere, die bei den Jungen nestflüchtender Vogelarten vorkommt, legt die Kenntnis der Mutter, bzw. der Eltern fest, letztere die Kenntnis derjenigen Merkmale, an denen später der Geschlechtspartner erkannt wird."

                Und weiter auf Seite 145:

                "Objektprägungen zeichnen sich durch zwei hauptsächliche Eigenschaften aus:

                - Sie finden während einer frühen sensiblen Phase statt, die individuell zeitlich sehr verschieden liegen kann
                - Sie führen zu einem dauerhaften (mitunter irreversiblen) Ergebnis.
                Das bedeutet, daß die während der sensiblen Phase festgelegte Objektpräferenz später durch andersartige Erfahrungen nur noch schwer (evtl. gar nicht mehr) verändert werden kann. " Zitat Ende.

                Aus dem weiteren Text geht hervor, daß die Jungtiere (Nesthocker, Nestflüchter) von ihren Eltern oder Ersatzeltern geprägt werden, die mit der Brutpflege befasst sind. Diese Prägung findet nicht nur unmittelbar nach dem Schlupf/nach der Geburt, sondern in verschiedenen sensiblen Phasen auch später, bis zum Einsetzen der Geschlechtsreife statt.
                Wie schon erwähnt, werden z. B. Vögel durch die Aufzucht von Ersatzeltern auf die Charakteristika (Verhalten, Gesang, Aussehen) einer anderen Vogelart geprägt. Konrad Lorenz' Gänse sind ja auch nicht sich gegenseitig sondern ihm als "Vorbild" gefolgt und wurden so auf ihn geprägt.

                Grundvoraussetzung für eine Objektprägung ist also der Kontakt zu den brutpflegenden Eltern/Ersatzeltern, was ja auch aus Deiner Bemerkung: ""Als klassisches Beispiel gelten die Jungenten die mangels Eltern nach dem Schlüpfen aus dem Ei auf den Menschen, als „Muttertier“ geprägt werden."" sehr deutlich hervor geht.

                Weiterhin unterscheiden Immelmann et al. unter zusätzlichen Formen der Prägung,
                - Heimat- bzw. Ortsprägung, Nahrungsprägung, Wirtsprägung, Gesangsprägung - die mehr oder weniger reversibel sind.

                Bei nicht-brutpflegenden Tierarten werden ihre grundlegenden Verhaltensmuster mit dem Erbgut weitergegeben, da die Jungtiere ja keine Eltern als Vorbild haben.

                Ich denke also, daß schon alleine der falsche Einsatz eines Grundbegriffs sehr leicht zu Fehlinterpretationen des Schildkrötenverhaltens und der Schildkrötenbedürfnisse führen kann.

                Für intensiver Interessierte: Das Buch von Immelmann et al. ist zwar derzeit vergriffen, aber über www.amazon.de immer wieder als gebrauchte Ausgabe für wenig Geld erhältlich.

                Schöne Grüße

                Eva




                [[ggg]Editiert von eva1 am 27-06-2005 um 11:25 GMT[/ggg]]

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                • #23
                  Re: Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                  [quote]sascha* schrieb:
                  Hallo Sascha,

                  Bei europ. Landschildkröten sehe ich das nicht so, wobei hier die einzelnen Regionen Deutschlands natürlich zu berücksichtigen sind. Sowohl am Bodensee, aber auch hier bei Karlsruhe sind die Bedingungen sehr wohl vergleichbar. Letztendlich ist es trotzdem ein Kompromiss, ob es jedoch Stress verursacht, oder sich negativ auf die Tiere auswirkt, kann man so einfach nicht sagen, und hängt wohl von den gesamten Bedingungen ab.
                  Wenn Du der Meinung bist, daß die Bedingungen sowohl am Bodensee als auch in Karlsruhe vergleichbar sind mit den Bedingungen des Habitats, stellt sich für mich die Frage: warum leben die Schildkröten denn dann nicht in der Natur dieser Gebiete? Auch wenn sie sich in Millionen von Jahren angepaßt haben, scheint unser Klima doch nicht deren Bedürfnisse auch nur in irgendeiner Weise zu entsprechen.


                  Wir haben zwar geringere Temperaturen und Sonneneinstrahlungen, aber zumindest die Temperaturen werden mittels Frühbeet und Gewächshaus ungefähr ausgeglichen. Gegen die geringere Sonneneinstrahlung kann man nicht viel machen, außer diese zu simulieren, aber ich denke, geringere Werte sind nicht automatisch Stress, denn auch in den Biotopen herscht nicht jedes Jahr das gleiche Wetter, wie auch bei uns. So gibts mal nen heissen Sommer, dann mal wieder nen weniger heissen Sommer, ..
                  Ja, ungefähr ausgeglichen. Dafür werde die Schildkröten dann aber in Frühbeete/Gewächshäuser untergebracht und somit müssen wieder viele Schildkröten auf engstem Raum sich ihren "Vorzugs-Platz" erkämpfen bzw. nicht dominate Tiere sofort einen unliebsamen, dafür aber störungsfreien Platz einnehmen. Ist das kein Stress?

                  Auch wenn es in den Habitaten bessere und schlechtere Jahreszeiten gibt, reichen wir mit unserer Technik nicht annähernd an die klimatischen Bedingungen ihres natürlichen Lebensraums heran. Dies bedeutet für mich, wir setzen die Schildkröten einem psyschichen Stress aus.

                  Die gleichen Platzverhältnisse können wir natürlich nicht anbieten, aber vielleicht passen sich die Tiere an, wenn das Gehege gross und strukturiert genug ist. Also auch hier ist nicht gegeben, dass es sich um Stress handelt, da sich dieser vielleicht nach Eingewöhnung entschieden gelegt hat.
                  Sascha, es sind Wildtiere, sie werden sich niemals anpassen, sie erdulden oder erleiden lediglich unsere Art der Haltung.

                  Das veränderte Futterangebot sehe ich noch weniger als Stress, denn NZ in unserem Land kennen doch garnicht das Futterangebot von ihrer natürlichen Heimat, also wie kommst Du hier auf Stress? - unsere Pflanzen sind generell vielleicht nicht so kalkhaltig, aber auch das wird doch versucht auszugleichen.
                  Richtig, sie kennen das Nahrungsangebot ihres Habitats nicht aber es ist genetisch abgelegt, welches Futter für sie gut ist oder auch nicht. Unser Futter, auch wenn wir es mit Wiesenkräutern gut meinen, ist viel zu eiweißreich, aber was sollen die Tiere denn machen? Wenn sie überleben wollen, fressen sie was wir ihnen anbieten. Ich denke es ist auch ein großer Unterschied, ob die Tiere Futter fressen welches kalkhaltig ist, oder aber wir ihnen Kalk in Form von Sepia oder Eierschale zur Verfügung stellen.

                  Wenn die Schildkröten durch unsere Haltung: Technik, Platzangebot und Nahrung schon psyschichem Stress ausgesetzt werden, warum legen wir dann noch eins obenauf indem wir sie ständig noch in Männer/Weibchen-Gruppen halten und fügen ihnen somit noch physischen Stress zu?

                  Schöne Grüße
                  Andrea

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                  • #24
                    Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                    Hallo Andrea,

                    Wenn Du der Meinung bist, daß die Bedingungen sowohl am Bodensee als auch in Karlsruhe vergleichbar sind mit den Bedingungen des Habitats, stellt sich für mich die Frage: warum leben die Schildkröten denn dann nicht in der Natur dieser Gebiete? Auch wenn sie sich in Millionen von Jahren angepaßt haben, scheint unser Klima doch nicht deren Bedürfnisse auch nur in irgendeiner Weise zu entsprechen.
                    Ich denke wir interpretieren es einfach nur unterschiedlich. Ich halte 300-400 Sonnenstunden weniger gegenüber dem Habitat noch als erträglich, und bzgl. Sonnenintensität brauch man sich auch nicht so sehr verstecken. Ich konnte bereits im Mai draußen im Garten 80.000lx messen. Das die Bedingungen nicht identisch sind, das ist soweit klar, aber was man schlichtweg nicht vergessen sollte: Deutsches Klima ist nicht gleich Deutsches Klima, dort sieht es ähnlich aus.

                    Ja, ungefähr ausgeglichen. Dafür werde die Schildkröten dann aber in Frühbeete/Gewächshäuser untergebracht und somit müssen wieder viele Schildkröten auf engstem Raum sich ihren "Vorzugs-Platz" erkämpfen bzw. nicht dominate Tiere sofort einen unliebsamen, dafür aber störungsfreien Platz einnehmen. Ist das kein Stress?
                    Keine Ahnung, ob es Stress ist oder nicht, die Tiere sagen es mir nicht, und zu erkennen ist auch nix. Ist und bleibt also eine Vermutung, die aber offensichtlich keine negativen Auswirkungen hat.

                    Auch wenn es in den Habitaten bessere und schlechtere Jahreszeiten gibt, reichen wir mit unserer Technik nicht annähernd an die klimatischen Bedingungen ihres natürlichen Lebensraums heran. Dies bedeutet für mich, wir setzen die Schildkröten einem psyschichen Stress aus.
                    Das sind nichts als Verallgemeinerungen und stimmen so einfach nicht. Schonmal die Temperaturen im Balkan überprüft, und dann mehrmals mit unseren klimatischen Bedingungen verglichen?

                    Und woran erkennst Du diesen psychischen Stress?

                    Was hälst Du denn überhaupt Tiere inHouse, die noch unter weitaus schlechteren Bedingungen gepflegt werden, wenn unsere Technik doch so weit hinterherhinkt?

                    Sascha, es sind Wildtiere, sie werden sich niemals anpassen, sie erdulden oder erleiden lediglich unsere Art der Haltung.
                    Ob es bei Schildkröten so ist, weiss ich nicht, du aber genauso wenig, denn verallgemeinern kann man es nicht, auch wenn es Wildtiere sind. Es gibt Wildtiere die sich sehr wohl an gewisse Bedingungen anpassen konnten, sonst würde es heute fast keine Tiere mehr geben.

                    Richtig, sie kennen das Nahrungsangebot ihres Habitats nicht aber es ist genetisch abgelegt, welches Futter für sie gut ist oder auch nicht.
                    Habe nichts gegenteiliges behauptet.

                    Unser Futter, auch wenn wir es mit Wiesenkräutern gut meinen, ist viel zu eiweißreich, aber was sollen die Tiere denn machen? Wenn sie überleben wollen, fressen sie was wir ihnen anbieten. Ich denke es ist auch ein großer Unterschied, ob die Tiere Futter fressen welches kalkhaltig ist, oder aber wir ihnen Kalk in Form von Sepia oder Eierschale zur Verfügung stellen.
                    Wo ist da der Unterschied? - und warum löst dies Stress aus?

                    Wenn die Schildkröten durch unsere Haltung: Technik, Platzangebot und Nahrung schon psyschichem Stress ausgesetzt werden, warum legen wir dann noch eins obenauf indem wir sie ständig noch in Männer/Weibchen-Gruppen halten und fügen ihnen somit noch physischen Stress zu
                    Du interpretierst da etwas mit Stress hinein, wo vielleicht garkein Stress vorhanden ist, vorallem wissen wir nicht, wieviel vorhandener Stress sich Negativ auf die Tiere auswirkt. Da du der Technik und den anderen Faktoren so wenig zutraust, solltest Du besser auf die Haltung von tropischen Arten in unseren Breitengraden verzichten, oder sind diese da nicht so anspruchsvoll und doch eher stressfreier?

                    Gruß,
                    Sascha



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                    • #25
                      Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                      Hallo Sascha


                      sascha* schrieb:
                      Ich denke wir interpretieren es einfach nur unterschiedlich. Ich halte 300-400 Sonnenstunden weniger gegenüber dem Habitat noch als erträglich, und bzgl. Sonnenintensität brauch man sich auch nicht so sehr verstecken.
                      Hmmm....
                      Ich habe mir dazu mal schnell meinen Klimaatlas herausgeholt und einige Daten herausgeschrieben:

                      Sonnenscheindauer in Stunden pro Jahr:

                      Deutschland:
                      Leipzig: 1476
                      Erfurt: 1581
                      Hamburg: 1630
                      Frankfurt /M.: 1640
                      Kiel: 1724
                      München: 1771
                      Karlsruhe: 1771

                      Spanien:
                      Valencia: 2538

                      Italien:
                      Rom: 2537
                      Bari: 2725

                      Bulgarien:
                      Sofia: 2083

                      Serbien:
                      Belgrad: 2112

                      Griechenland:
                      Thessaloniki: 2624
                      Patras: 2725

                      Türkei:
                      Ankara: 2741

                      Da liegen also bei den _aufgeführten Orten_ zwischen dem sonnenreichsten Ort bei uns (Karlsruhe) und dem sonnenärmsten Ort am Mittelmeer (Sofia) 312 Stunden Unterschied, die die Tiere bei uns einbüßen müssen. Nun wohnt aber nicht jeder Schildkrötenhalter in Karlsruhe und nicht jede Testudo kommt aus Bulgarien..... Der Unterschied kann demnach auch mal über 1100 Sonnenstunden ausmachen, also 40 - 50% weniger. Dann befinden sich unsere Tiere in der Regel auch noch länger in der Winterruhe, also nochmal ein Sonnenstunden-Abzug.
                      Dass du 400 fehlende Sonnenstunden als erträglich ansiehst mag ja sein, aber tun's die Schildkröten wirklich auch? Fehlen sie ihnen nicht für ihre Gesundheit? Und was, wenn es mal 800 oder sogar 1000 sind?

                      Die Sonnenscheindauer alleine ist aber nicht ausschlaggebend. Es spielen beim Klima u. a. auch die Entfernung vom Äquator (Sonnenstand mehr oder weniger senkrecht = mehr oder weniger intensive Sonneneinstrahlung) und die Höhenlage des Ortes eine erhebliche Rolle.

                      Die mittlere Jahrestemperatur liegt deshalb in den Mittelmeerländern bei durchschnittlich 15 - 18°C, bei uns in Deutschland bei rund 8 - 10°C.

                      Wie Andrea schon schrieb: die Tiere sind also bei uns auf gut beheizte Frühbeete und Gewächshäuser angewiesen und sitzen hier trotzdem auf mehr oder weniger beengten Platzverhältnissen zusammen.
                      Ich denke, dass tropische LSK mit allem technischen Aufwand weitaus bessere Lebensbedingungen haben, als europäische LSK in unseren viel zu kühlen Sommern mit einem ein- oder zwei qm großen Frühbeet, eingelegt wie Sardinen. Leider ist das große Außengehege mangels Sonne zur Zeit mal wieder nicht bewohnbar, aber wir bilden uns ein, die Tiere in großen, gut strukturierten Außengehegen zu halten, die den Verhältnissen im Habitat nahekommen....
                      Manchmal hab ich den Eindruck, dass unangenehme Möglichkeiten lieber verdrängt werden. Dass dies Stress bedeuten muß, weiß eigentlich schon jeder Anfänger.
                      Keine Ahnung, ob es Stress ist oder nicht, die Tiere sagen es mir nicht, und zu erkennen ist auch nix. Ist und bleibt also eine Vermutung, die aber offensichtlich keine negativen Auswirkungen hat.
                      Woher kommen dann die häufigen Parasiten, Legenot, so viele sehr unterschiedlich schnell wachsende kleine Schildkröten oder vermeintlich "empfindlichere" Weibchen, deren frühen Tod manche Züchter immer wieder beklagen?
                      Das sind nichts als Verallgemeinerungen und stimmen so einfach nicht. Schonmal die Temperaturen im Balkan überprüft, und dann mehrmals mit unseren klimatischen Bedingungen verglichen?
                      Ja, siehe oben
                      Ob es bei Schildkröten so ist, weiss ich nicht, du aber genauso wenig, denn verallgemeinern kann man es nicht, auch wenn es Wildtiere sind. Es gibt Wildtiere die sich sehr wohl an gewisse Bedingungen anpassen konnten, sonst würde es heute fast keine Tiere mehr geben.
                      Sicher konnten sie sich anpassen, aber das dauerte Jahrmillionen und viele tausend Generationsfolgen, bis es so weit war. Wir erwarten aber, daß sich die Schildkröten in 10 oder 20 Jahren an unsere Verhältnisse angepasst haben. Ich denke, mit dieser Meinung ist man bei solchen Tieren mit dieser Generationsfolge und der Reproduktionsrate auf dem Holzweg.
                      sascha* schrieb:
                      Andrea S. schrieb:
                      Richtig, sie kennen das Nahrungsangebot ihres Habitats nicht aber es ist genetisch abgelegt, welches Futter für sie gut ist oder auch nicht.
                      Habe nichts gegenteiliges behauptet.
                      Wirklich? Na, dann lies doch noch mal Deinen vorigen Beitrag....
                      Ich meine, Frau Dr. Dennert fand das Ernährungsthema immerhin wichtig genug, daß sie daraus ein ganzes Buch gezaubert hat. Der Schildkrötendarm ist hochspezialisiert auf die Bedingungen im Habitat. Wenn etwas Verkehrtes gefressen wird, führt das z. B. zu Blähungen. Ich meine schon, daß Bauchweh ein Stressfaktor ist, genauso wie Fehlwachstum und Organprobleme durch Fehlernährung. In dem Fall handelt es sich um physiologischen Stress.
                      Du interpretierst da etwas mit Stress hinein, wo vielleicht garkein Stress vorhanden ist, vorallem wissen wir nicht, wieviel vorhandener Stress sich Negativ auf die Tiere auswirkt.
                      Da muß ich Dir recht geben, Stress kann man nicht schnell mal messen wie die Temperatur. Trotzdem kann man Stress gegenüber Normalverhalten z. B. an verstärkten oder zu geringen Bewegungsabläufen sehen und an erhöhten Kortisonwerten im Blut ablesen. Da Kortisonausschüttungen das Immunsystem unterdrücken, ist das eine unmittelbare Folge von Stress. Eine interessante Dissertation dazu liegt auf http://www.qmvet.de/reptilien/immunity.htm

                      Schöne Grüße

                      Eva

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                      • #26
                        Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                        Hallo Eva,

                        Da liegen also bei den _aufgeführten Orten_ zwischen dem sonnenreichsten Ort bei uns (Karlsruhe) und dem sonnenärmsten Ort am Mittelmeer (Sofia) 312 Stunden Unterschied, die die Tiere bei uns einbüßen müssen. Nun wohnt aber nicht jeder Schildkrötenhalter in Karlsruhe und nicht jede Testudo kommt aus Bulgarien..... Der Unterschied kann demnach auch mal über 1100 Sonnenstunden ausmachen, also 40 - 50% weniger.
                        Das hatte ich ja bereits geschrieben, dass es nunmal regionale Unterschiede gibt, und auch innerhalb einer Unterart verschiedene Habitate und dementsprechend leicht unterschiedliche Klimabedingungen bestehen können. Eine Verallgemeinerung gibt es halt nicht, aber ich sehe trotzdem das europ. Klima zwischen Deutschland und z.B. Griechenland als einigermaßen ähnlich an (sicher ne Definitionsfrage), weil wenn man hier bereits von "erheblichen" Unterschieden spricht, dann frage ich mich, wie man den Unterschied zwischen Deutschland und Nordafrika nennt.

                        Dass du 400 fehlende Sonnenstunden als erträglich ansiehst mag ja sein, aber tun's die Schildkröten wirklich auch? Fehlen sie ihnen nicht für ihre Gesundheit? Und was, wenn es mal 800 oder sogar 1000 sind?
                        Das was fehlt, ist mit Technik aufzufüllen, und die Technik ersetzt grundlegend nicht die Natur, sondern ein Versuch diese zu simulieren, aber wie gut ist unsere Technik wirklich?

                        Wenn der klimatische Unterschied zu gross ist (und hier gibt es keine klare Grenze, sondern dies resultiert auch aus Beobachtungen und Ansprüchen), dann bleibt einem nix anderes übrig, als auf Technik zurückzugreifen, wie optimal oder weniger optimal das ist, ist jedoch sehr schwierig zu beurteilen. Auch weiss man leider nicht immer, woher genau die Tiere stammen, daher hält man ein Tier schnell mal zu warm oder zu kalt, aber wie ich ja schonmal gesagt habe: so eng sollte man das nicht sehen, dass es auch in den Heimatländern gewisse klimatische Unterschiede gibt, und da sollte man bestenfalls versuchen, die Rahmenbedingungen zu treffen.

                        Die mittlere Jahrestemperatur liegt deshalb in den Mittelmeerländern bei durchschnittlich 15 - 18°C, bei uns in Deutschland bei rund 8 - 10°C.
                        Ich kenne die Vergleiche, bringen aber nicht viel.

                        Wie Andrea schon schrieb: die Tiere sind also bei uns auf gut beheizte Frühbeete und Gewächshäuser angewiesen und sitzen hier trotzdem auf mehr oder weniger beengten Platzverhältnissen zusammen.
                        Genauso auch inHouse in Räumen und Terrarien. Diese Argumentation bringt einfach nix, weil es auf alle Tiere zutrifft, oder soll man Weibchen auch alle Trennen?

                        Ich denke, dass tropische LSK mit allem technischen Aufwand weitaus bessere Lebensbedingungen haben, als europäische LSK in unseren viel zu kühlen Sommern mit einem ein- oder zwei qm großen Frühbeet, eingelegt wie Sardinen.
                        Über einen kühlen Sommer kann ich ehrlich gesagt nur Lachen, jemand aus dem kühlen Norden sieht das wiederum anderster, dennoch müssen letztendlich Vor und Nachteile individuell abgewogen werden, und um dies zu tun, muss man die Technik gut kennen, bestenfalls muss alles kritisch nachgemessen werden, und was Messgeräte kosten, muss ich Dir nicht sagen. Welcher Kompromiss letztendlich eingegangen wird, muss jeder für sich selbst entscheiden, und was mehr Stress für seine Tiere bedeudet, ist erstmal herauszufinden. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass europ. LSK, allen Voran unsere Boettgeri's, nach draußen gehören, und wenn es draußen ab und zu einfach zu kühl wird, und zu wenig Sonne vorhanden ist, kann man auch dort problemlos die Technik einsetzen, zugleich aber das nutzen, was "kostenlos" vorhanden ist.

                        Leider ist das große Außengehege mangels Sonne zur Zeit mal wieder nicht bewohnbar, aber wir bilden uns ein, die Tiere in großen, gut strukturierten Außengehegen zu halten, die den Verhältnissen im Habitat nahekommen....
                        Häh? - also wir haben seit Wochen hier nur noch Sonne, fast schon Extrembedingungen, bei denen unserer Tiere mehr in den Schatten flüchten als sonstwas. Keine Ahnung wie es bei dir aussieht, aber ich meine auch in der Münchner-Gegend sieht es vielversprechend aus, und da gibt es nichtmal ansatzweise einen Grund, die Tiere (europ. Arten, Ausnahme: horsfieldi) inHouse zu halten.

                        Manchmal hab ich den Eindruck, dass unangenehme Möglichkeiten lieber verdrängt werden. Dass dies Stress bedeuten muß, weiß eigentlich schon jeder Anfänger.
                        Und ich habe manchmal den Eindruck, dass einige lieber den gemütlichen Weg auf sich nehmen, weil ein Terrarium nunmal schneller realisiert ist, als ein Freigehege zu erstellen. Das es im Freiland zu Stress kommen soll, aber im Terrarium nicht, kann ich ehrlich gesagt nicht nachvollziehen, vielleicht habe ich Dich aber auch Falsch verstanden. Wo welche Bedingungen einfacher zu realisieren sind, hängt von dem Wohnort ab, und von den zu haltenden Tieren. Das gute Technik besser sein kann, als schlechte Bedingungen draußen, ist jedem klar, aber gute Bedingungen draußen sind in allen Fällen der Technik überlegen, daran gibt es nichts zu rütteln. Was wann gut ist, und was weniger gut ist, das vermag ich nicht zu beurteilen und lässt sich auch nicht verallgemeinern.

                        Woher kommen dann die häufigen Parasiten, Legenot, so viele sehr unterschiedlich schnell wachsende kleine Schildkröten oder vermeintlich "empfindlichere" Weibchen, deren frühen Tod manche Züchter immer wieder beklagen?
                        Nach meinem Stand aus einer suboptimalen Terrarienhaltung, da die natürlichen Gegebenheiten einfach nicht so gegeben sind, wie sie draußen vorhanden sind.

                        Sicher konnten sie sich anpassen, aber das dauerte Jahrmillionen und viele tausend Generationsfolgen, bis es so weit war. Wir erwarten aber, daß sich die Schildkröten in 10 oder 20 Jahren an unsere Verhältnisse angepasst haben. Ich denke, mit dieser Meinung ist man bei solchen Tieren mit dieser Generationsfolge und der Reproduktionsrate auf dem Holzweg.
                        Auf dem Holzweg ist man, wenn man denkt, alles wissen zu müssen, ohne es genau vorher erforscht zu haben. Ich lege meine Hand nicht ins Feuer, und sage, dass Wildtiere, z.B. Schildkröten, sich nicht auch nach kurzen Zeiten an gewisse Dingen anpassen oder gewöhnen können. Es ist zwar schwer vorstellbar, aber könnte ein Grund sein, warum die Gruppenhaltung bei sovielen Züchtern und Haltern der europ. Arten im Garten funktioniert.

                        Ich meine, Frau Dr. Dennert fand das Ernährungsthema immerhin wichtig genug, daß sie daraus ein ganzes Buch gezaubert hat. Der Schildkrötendarm ist hochspezialisiert auf die Bedingungen im Habitat. Wenn etwas Verkehrtes gefressen wird, führt das z. B. zu Blähungen. Ich meine schon, daß Bauchweh ein Stressfaktor ist, genauso wie Fehlwachstum und Organprobleme durch Fehlernährung. In dem Fall handelt es sich um physiologischen Stress.
                        Wer spricht denn hier von Fehlernährung? - einen ädaquaten Ersatz in Form unserer Wildkräuter gleich als Stresssymptom abzustempeln ist nichts als pure Theorie, die du keineswegs beweisen kannst und erneut die GANZE Tierhaltung in Frage stellen würde.

                        Fressen eure Tiere in Einzelhaltung anderes Futter als die Tiere in der Gemeinschaftshaltung, oder warum diskutieren wir überhaupt darüber?

                        Da muß ich Dir recht geben, Stress kann man nicht schnell mal messen wie die Temperatur. Trotzdem kann man Stress gegenüber Normalverhalten z. B. an verstärkten oder zu geringen Bewegungsabläufen sehen und an erhöhten Kortisonwerten im Blut ablesen. Da Kortisonausschüttungen das Immunsystem unterdrücken, ist das eine unmittelbare Folge von Stress. Eine interessante Dissertation dazu liegt auf http://www.qmvet.de/reptilien/immunity.htm
                        Werde ich mir gerne mal bei Zeit durchlesen, und es ist sicherlich interessant zu wissen, wie Stress zu erkennen ist.

                        Zusammenfassend:
                        - in euren Augen ist für die Tiere alles mit Stress verbunden, was dem Habitat nicht in 100%iger Weise nahe kommt, zumindest kommt das so rüber. Diese Argumentationsschiene ist in meinen Augen zu weit hergeholt, da wir im Einzelnen nicht wissen, wieviel Stress vorhanden ist, und welche Auswirkungen es auf das Wohl der Tiere hat. Bei Einzelhaltung ist das gleiche Futter vorhanden, die gleichen klimatischen Bedingungen, wie auch in der Gruppenhaltung. Also sollten wir uns doch auf die Unterschiede der einzelnen Haltungen beschränken, denn alles andere führt in eine Sackgasse.

                        Wenn Du Eva, doch von der Freiland und Gruppenhaltung nicht überzeugt bist, was kaufst Du dann Tiere von Leuten, die genau diese Haltung praktizieren, weil Du die armen Tierchen retten möchtest oder warum?

                        Genauso, was ist mit den unzähligen Erfahrungsberichten von Züchtern europäischer Landschildkröten, stressen die Ihre Tiere aufgrund der Gruppenhaltung schon seit 30 Jahren und mehr, oder wie erklärt ihr euch, dass hier meist keine Trennung erforderlich ist?

                        Gruß,
                        Sascha

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                        • #27
                          Re: Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                          Noch einige Betrachtungen zum Begriff "Prägung":

                          Es ist unbestritten wertvoll, wenn die in der Fachliteratur vorhandenen Definitionen und Sichtweisen von Wissenschaftern hier gegenseitig zugänglich gemacht werden. Danke dafür!
                          Trotzdem sind Wissenschafter Menschen wie wir, sie machen Fehler, man braucht ihnen daher nicht alles glauben. Was in einem Fachbuch steht, muss daher nicht unbedingt die Wahrheit sein. Darum werden auch Fachbücher ständig überarbeitet und verbessert. Eine Diskussion kann daher nicht so beendet werden, indem man sagt: Der Herr Immelmann hat das und das geschrieben und daher basta! Alles andere ist falsch! Bestenfalls gibt das, was dort geschrieben wurde, nur den jetzigen Stand der Forschung wieder, und dieser Stand kann, wie es hier offenbar der Fall ist, noch sehr unterentwickelt sein und sich bald einmal ändern. Ich erinnere mich hier z. B. einer Aussage, die Hoimar von Dithfurt im Jahre 1976 über Prägung machte (Der Geist fiel nicht vom Himmel, Anmerkung 38):

                          "Eine Reihe wichtiger Indizien spricht dafür, dass zu den Bereichen menschlichen Verhaltens, die durch prägungsartige Lerneffekte entscheidend und bleibend geformt werden, die sexuelle Sphäre gehört. Bei Tieren, vor allem bei Vögeln, ist die Möglichkeit einer irreversiblen Prägung auf bestimmte, auch artfremde Sexualpartner in vielen Fällen nachgewiesen. Besonders bedeutsam erscheinen Experimente des Lorenz-Schülers F. Schutz, der Erpel durch Prägung auf männliche Artgenossen irreversibel homosexuell werden ließ. Die Mehrzahl der Fachleute neigt heute zu der Annahme, dass vergleichbare Umweltfaktoren auch bei der Entstehung der menschlichen Homosexualität beteiligt sein dürften. Unser Strafrecht berücksichtigt diese Möglichkeit durch Strafandrohung bei homosexuellen Beziehungen zu Minderjährigen, während gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Erwachsenen in der Regel straffrei bleiben. Dabei ist jedoch einzuräumen, dass gesicherte Kenntnisse über die eine entsprechende Prägung beim Menschen bewirkenden Faktoren bisher ebenso wenig vorliegen wie über den für ihre Wirkung entscheidenden Entwicklungszeitraum (die spezifische "sensible Phase")."

                          Später, nach dem Tode von Dithfurt, hat dann ein anderer sogenannter Forscher in der angesehenen Reihe "Mannheimer Forum" 1993/1994 einen langatmigen Artikel über "Homosexualität und Evolution" geschrieben. Obwohl er in diesem Artikel zugibt, dass er nicht weiß, ob die Homosexualität angeboren oder durch Prägung erworben wird, bringt er es dennoch fertig, in vermeintlich wissenschaftlicher Art, die möglichen "von der Natur vielleicht gewollten" Auswirkungen auf die Evolution zu diskutieren. Es scheint ihm nicht klar gewesen zu sein, dass dann, wenn die Homosexualität ein Prägungsvorgang wäre, die Auswirkungen auf die Evolution ungefähr den gleichen Sinn oder Stellenwert haben müssen, wie das Nachrennen der jungen Enten hinter dem Herrn Lorenz, den sie für ihre Mutter halten. Aber Hauptsache ist eben, es wird über Dinge, die wir nicht wissen, möglichst gescheit geschrieben.

                          Ich führe das alles nur deshalb auf, um zu zeigen, wie schwach hier das angebliche Wissen fundiert ist und wie schön man es in viele geistvolle Worte verpacken kann. Daher könnte es manchmal durchaus viel sinnvoller sein, Schlüsse aus eigenen oder glaubhaft mitgeteilten Beobachtungen anderer Hobbyisten zu ziehen und dem fachgelehrten Buchwissen eher ein wenig skeptisch gegenüber zu stehen.

                          Mit besten Grüßen
                          Gottfried

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                          • #28
                            Re: Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                            [quote]sascha* schrieb




                            Bei Einzelhaltung ist das gleiche Futter vorhanden, die gleichen klimatischen Bedingungen, wie auch in der Gruppenhaltung. Also sollten wir uns doch auf die Unterschiede der einzelnen Haltungen beschränken, denn alles andere führt in eine Sackgasse.
                            Hallo Sascha,
                            da hast Du Recht, allerdings leben die Männer weitaus friedlicher und, auch wenn Du es nicht hören magst, stressfreier als in Gruppenhaltung. Warum wurde ja mittlerweile hinreichend erklärt.

                            Wenn Du Eva, doch von der Freiland und Gruppenhaltung nicht überzeugt bist, ....
                            Das verstehe ich nun nicht, wo hat Eva jemals geschrieben, daß sie von Freilandhaltung nicht überzeugt ist?? Im Gegenteil sämtliche Beiträge, welche ich von Eva lese, auch in anderen Foren, bekniet sie die Fragenden die Schildkröten ins Freiland zu setzen. Natürlich mit den Hinweisen:beheiztes Frühbeet, viel Platz und, und, und...

                            Genauso, was ist mit den unzähligen Erfahrungsberichten von Züchtern europäischer Landschildkröten, stressen die Ihre Tiere aufgrund der Gruppenhaltung schon seit 30 Jahren und mehr, oder wie erklärt ihr euch, dass hier meist keine Trennung erforderlich ist?
                            Vielleicht haben die Tiere nach sovielen Jahren schon resigniert?

                            Noch eine Frage an Dich: kann es sein, daß Dein Ton, sowohl Eva als auch mir gegenüber, eine Tendenz annimmt, die (so empfinde ich es) kurz überhalb der Gürtellinie schwebt?
                            Oder ärgert es Dich einfach, daß Du uns nicht von der Gruppenhaltung überzeugen kannst? Wenn ja wieso, Du läßt Dich ja auch von uns nicht überzeugen, ändern wir deshalb den Ton??? Sollte ein kleiner Denkanstoss sein.

                            Schöne Grüße
                            Andrea



                            Edit: Fettschrift herausgenommen. MfG Beate Pfau

                            [[ggg]Editiert von Beate Pfau am 28-06-2005 um 16:08 GMT[/ggg]]

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                            • #29
                              Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                              GottfriedU schrieb:
                              Ich führe das alles nur deshalb auf, um zu zeigen, wie schwach hier das angebliche Wissen fundiert ist und wie schön man es in viele geistvolle Worte verpacken kann. Daher könnte es manchmal durchaus viel sinnvoller sein, Schlüsse aus eigenen oder glaubhaft mitgeteilten Beobachtungen anderer Hobbyisten zu ziehen und dem fachgelehrten Buchwissen eher ein wenig skeptisch gegenüber zu stehen.
                              Hallo Gottfried

                              Ich bedanke mich für Deinen interessanten Beitrag. Mittlerweile gilt es ja als gesichert, daß Homosexualität über ein kleines "Fehlerchen" im Erbgut zustande kommt und nicht, wie früher behauptet, anerzogen oder gar "geprägt" wird.
                              Nichts desto trotz wage ich es ganz ungeniert, das Werk von Immelmann et al. als Grundlage zu verwenden. Es wurde mir nämlich von mehreren Fachleuten, unter anderem auch vom Institut für Verhaltenskunde in München gerade für diesen Zweck sehr ans Herz gelegt. Wenn es so verquere Weisheiten enthalten würde, wie Du hier mit den Aussagen von Hoimar von Ditfurth (das "h" schreibt man hinter dem 2. "t") beispielhaft anführst, dann hätte man dies sicher nicht getan.

                              Natürlich sind Wissenschaftler aus Fleisch und Blut. Ich sehe es als Zeichen des Fortschritts, wenn sie ihre Forschungen überarbeiten und Erkenntnisse erneuern. Seit Konrad Lorenz ist jedoch der "klassische" Prägungsbegriff als solches immer nur auf brutpflegende Tierarten zutreffend beschrieben worden. Das hat sich ganz offensichtlich bis heute nicht geändert.
                              Demnach aber steht fest, daß es bei Schildkröten weder Prägephasen noch Prägung im klassischen Sinne gibt, denn sie betreiben keine Brutpflege. Ihre Instinkte und grundlegenden Verhaltensweisen werden von Generation zu Generation vererbt und sie kommen damit bereits auf die Welt. Deshalb benötigen sie auch nicht den Kontakt zu anderen Jungschildkröten, um gesund und "verhaltensnormgerecht" aufzuwachsen, sondern können problemlos alleine aufwachsen, was aber jetzt nicht heißen soll, daß sie es müssen.

                              Danke trotzdem, daß Du Dich bemüht hast.

                              Schöne Grüße

                              Eva

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                              • #30
                                Re: Versuch zur Analyse der Gruppen und Einzelhaltung

                                Hallo Eva,
                                auch wenn die Diskusion zwischenzeitlich ganz schön fortgeschritten ist. Ich kann in deinen Ausführungen nicht erkennen, dass ich mit meiner Definition verkehrt liegen soll. Sie war sicher nicht so ausführlich, daher unvollständig, aber dennoch richtig.
                                Als Prägung verstehe ich, auf Schildkröten bezogen, die Tatsache, dass diese in einem festgelegten Zeitraum, z.B. auf ihre Artgenossen fixiert werden. Sind Artgenossen in diesem Zeitabschnitt vorhanden ist alles ok. Ansonsten findet eine Fehlprägung auf Steine, Schuhe, Bürsten sonstige Gegenstände oder auf artfremde Schildkröten statt.
                                Die Prägung erfolgt aufgrund Aussehen, Geruch und bestimmter Verhaltensmuster und ist irreversibel, kann später also nicht mehr gelöscht werden.
                                Ein erlerntes Verhalten hingegen kann jederzeit durch umlernen gelöscht werden. Unter Lernen versteht man gemeinhin den idividuellen Erwerb von Kenntnissen sowie von geistigen und körperlichen Fertigkeiten und Fähigkeiten. Lernen kann als systematische Änderung des Verhaltens aufgrund gewonnener und durchdachter Informationen (Wissen) durch Wahrnehmung an Veränderungen in der Umwelt bezeichnet werden. Das kann jeder in verschiedenen Definitionen, z.B. in wikipedia selbst nachlesen.
                                Ich will unseren Schildkröten sicher nicht absprechen, dass sie in gewisser Weise auch lernfähig sind. Ihr Verhalten ist jedoch in erster Linie instinktgesteuert und wird durch Umweltreize und Prägung, die dann auch wie angeboren wirkt, bestimmt.
                                Ich kann leider auch nicht nachvollziehen, wie du behaupten kannst daß es bei Schildkröten weder Prägephasen noch Prägung im klassischen Sinne gibt, weil sie keine Brutpflege betreiben. Prägung findet nicht nur bei brutpflegetreibenden Lebewesen statt, sondern auch und gerade bei Schildkröten. Siehe auch meine Anmerkungen zur Fehlprägung.

                                Hallo Gottfried, danke für deinen Beitrag.

                                Schönen Gruß
                                Wolfgang
                                www.testudo-farm.de

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