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Geschlechtsdetermination

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  • Geschlechtsdetermination

    Hallo,
    soweit ich weiß, ist für die Determination des Geschlechts von Landschildkröten die Zeitigungstemperatur entscheidend. Ich wüßte aber gerne Genaueres, z.B.
    1. wie die Geschlechtsdetermination durch die Temperatur bestimmt wird - welche biochemischen Vorgänge stecken dahinter?
    2. welchen (evolutions-)biologischen Sinn hat diese Art der Geschlechtsdetermination?
    Viele Grüße,
    Miyax

  • #2
    Hallo Miyax,
    soweit ich weiß, ist für die Determination des Geschlechts von Landschildkröten die Zeitigungstemperatur entscheidend.
    Nicht nur, aber auch. Es gibt eine ganze Menge weiterer Einflußfaktoren - Substratfeuchte, Sauerstoffgehalt im Substrat, Alter und Gesundheitszustand des Weibchens und so weiter.
    Ich wüßte aber gerne Genaueres, z.B.
    1. wie die Geschlechtsdetermination durch die Temperatur bestimmt wird - welche biochemischen Vorgänge stecken dahinter?
    2. welchen (evolutions-)biologischen Sinn hat diese Art der Geschlechtsdetermination?
    Da hast Du Dir viel vorgenommen... An diesem Thema wird eifrig geforscht. Das kann Dir hier niemand in wenigen, dürren Worten darstellen! Da mußt Du Dich schon selber einlesen.

    Als Einstieg empfehle ich Dir diesen Artikel: http://www.literatur.testudolinks.de...ceView&id=8287 - da sind schon Mal die wesentlichen Faktoren, die speziell für die Geschlechtsdetermination von Landschildkröten der Gattung Testudo eine Rolle spielen, zusammengefaßt, und der Bericht enthält auch viele Züchter-Erfahrungen.

    Wenn Du dann noch weiter lesen möchtest, kannst Du Dir die relevante Literatur über alles, was mit der Zeit zwischen Eiablage und Schlupf zu tun hat, z.B. aus dieser Literaturdatenbank heraussuchen, auf die ich verlinkt habe (Stichwort "Zeitigung"). Wenn Du Dich nur für die Inkubation von Landschildkröten interessierst, suche zusätzlich mit "Testudinidae". Da werden aktuell 82 Literaturstellen aufgelistet, aber es kommen immer Mal wieder neue dazu.

    Tipps dafür, wie Du dann an diesen Lesestoff drankommst, findest Du im zugehörigen Forum: http://www.schildkroetenforen.de/viewforum.php?f=42.

    Viel Spaß beim Lesen wünscht
    Beate
    Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

    Kommentar


    • #3
      Ergänzend... Warum?

      Hallo Miyax,

      auf Deine Frage nach dem evolutionsbiologischen Sinn bin ich nicht eingegangen, weil's auch dazu viel zu viele Thesen gibt, um sie hier zusammenzufassen...

      Aber eine These finde ich ganz einleuchtend, nämlich daß Schildkrötenweibchen ja "wissen", wie ihre Eier ausgebildet sind, d.h. ob's im nächsten Gelege z.B. eher größere oder eher kleinere Eier werden. Je nachdem können sie dann den Platz für die Eiablage auswählen. Kleinere Eier ergeben nämlich auch ganz "fitte" Männchen, während es für spätere Weibchen besser ist, wenn sie aus größeren Eiern geschlüpft sind und deshalb schon ein bißchen Wachstumsvorsprung haben. Bei Landschildkröten ist das noch nicht so richtig gut untersucht, aber vielleicht magst Du ja dazu einen Artikel über Diamantschildkröten lesen: http://www.dtwg.org/Bibliography/Pub...urg%201996.pdf

      Also weiterhin viel Spaß bei der Informationssuche
      Beate
      Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

      Kommentar


      • #4
        Hallo Beate,

        das sind schon mal tolle Tipps, ich habe schon vermutet, dass es nicht ganz einfach wird....
        In einer Woche habe ich Urlaub, da klemme ich mich mal hinter die Literaturrecherche! Komme ich in eure Datenbank mit den Stichwörtern, die du mir genannt hast (Zeitigung und Testudinidae) auch an englischsprachige Artikel?

        Könnte die Temperaturabhängigkeit nicht auch noch einen anderen Sinn haben? Nach deiner Theorie entscheidet das Weibchen sozusagen "zum Wohle der Nachkommen", also eine Form von Brutfürsorge.
        Wie wäre es mir folgender Überlegung:
        Im natürlichen Habitat gibt es mehr Männer als Weibchen - vermutlich um die Befruchtung aller Weibchen sicherzustellen und den Weibchen auch die Möglichkeit zur Auswahl zu bieten (Stichwort der Soziobiologie: Weibchenwahl).
        Wenn nun die Bedingungen besonders gut sind (hohe Temperaturen), könnte es sinnvoll sein, mehr Weibchen zu produzieren, um die Nachkommenzahl insgesamt langfristig zu erhöhen?

        Ich denke mir, irgendeinen Anpassungsvorteil an veränderliche Temperaturen muss diese Art der Geschlechtsdetermination doch haben, sonst könnte sie ja auch genetisch sein, wie bei den meisten anderen Tierarten.

        Viele Grüße,
        Miyax

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        • #5
          Hallo,

          du siehst das mit der "Brutfürsorge" zu sehr vom menschlich-moralischen Standpunkt aus. Biologen sehen das schwerpunktmäßig etwas anders (auch bei Menschen ;-) ). Das weibchen will nicht "glückliche Kinder" um der Kinder willen. Es will möglichst erfolgreich seine Gene weitergeben. Erfolgreich in diesem Sinne ist das Weibchen, das möglichst viele bis zur Geschlechtsreife heranwachsende Nachkommen hat, die dann selber wieder möglichst viele Nachkommen produzieren. Es macht aber einen Unterschied, ob ein Weibchen "Töchter" produziert oder "Söhne". Töchter sind so was wie eine sichere Wertanlage. Sie produzieren regelmäßig, Jahr für Jahr eine überschaubare Anzahl an Eiern und damit an potentiellen Enkeln. Söhne aber sind sozusagen Hochrisikoaktien. Wenn sie einschlagen, d. h. wenn ein Männchen optimale Bedingungen vorfindet, wenig Konkurrenten, viele paarungsbereite Weibchen, dann kann dieser eine erfolgreiche Sohn mehr dazu beitragen, die Gene seiner Mutter weiterzugeben, als ein Dutzend Töchter. Leider sind nur wenige Söhne so erfolgreich.

          Unter für Männchen ungünstigen Bedingungen (großer Männchenüberhang, Futtermangel, klimatisch schlechte Jahre, ...) ist es für ein Weibchen besser, Töchter zu produzieren. Im umgekehrten Fall kann sich die Investition in Söhne lohnen.

          Es ist also eher umgekehrt: Unter sehr guten Bedingungen sollten bevorzugt Söhne/Männchen entstehen. Wenn die Weibchen unter ungünstigen Bedingungen leben (die ja dann auch für den Nachwuchs ungünstig sind), sollten sie eher Töchter/Weibchen als Nachkommen bevorzugen.

          Es ist also sehr komplex. Was "günstig" und was "ungünstig" ist, lässt sich auf den ersten Blick oft kaum entscheiden. Es sind halt sehr langfristige Entwicklungen, evt. über mehrere Generationen, ehe sich entscheidet, welche Gene erfolgreich weitergegeben werden und welche Fortpflanzungsstrategie in diesem Sinne zum größtmöglichen Erfolg führt.

          Die temperaturinduzierte Geschlechtsdetermination ist auf jeden Fall nicht als primitiver zu betrachten als die durch Gene bestimmte. Auf jeden Fall kann das Weibchen mehr Einfluss auf das Geschlecht der Nachkommen nehmen. (Der weibliche Einfluss besteht aber sogar noch dann, wenn es Geschlechtschromosomen gibt.) Sehr interessant auch, dass die grundsätzlichen zugrundeliegenden Entwicklungsmechanismen gar nicht so sehr unterschiedlich sind, obwohl es uns so vor kommt, als gäbe es da fundamentale Gräben. Und: Es gibt sogar Untersuchungen, die für Menschen die These belegen, dass wärmeres Klima zu mehr Söhnen (wenn ich mich recht erinnere, könnte auch umgekehrt sein) führt!

          Viel Spaß beim Weiterlesen und Recherchieren!

          Gruß
          Annemarie

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          • #6
            Hallo Miyax,

            In einer Woche habe ich Urlaub, da klemme ich mich mal hinter die Literaturrecherche! Komme ich in eure Datenbank mit den Stichwörtern, die du mir genannt hast (Zeitigung und Testudinidae) auch an englischsprachige Artikel?
            Du wirst in der Datenbank sogar überwiegend englischsprachige Artikel dazu finden, aber auch ein paar deutsche, französische und spanische... Es ist übrigens gar nicht so schwer, auch diese zu verstehen.

            Schau auch im Forum bei den Linksammlungen. Viele der Artikel gibt's nämlich auf den Homepages der Autoren zum Runterladen. Außerdem findest Du so die aktuellen Mailadressen, und manche der Autoren helfen gerne bei speziellen Fragen weiter bzw. schicken einem auf Anfrage weitere Artikel, die nicht frei verfügbar sind, zu. Nur Mut!

            Im natürlichen Habitat gibt es mehr Männer als Weibchen
            Das kann man so ganz bestimmt NICHT sagen. Es gibt in bestimmten, besonders dicht besiedelten Biotopen mehr männliche als weibliche Testudo hermanni boettgeri (lies dazu bitte die Arbeit "Population density and adult sex ratio of the tortoise Testudo hermanni in Greece: evidence for intrinsic population regulation" von Adrian Hailey und Ronald Willemsen - steht als PDF hier: http://www.ahailey.f9.co.uk/public.htm ), aber in anderen Biotopen ist das Geschlechterverhältnis auch bei dieser Unterart doch ziemlich ausgeglichen. Bei Testudo hermanni hermanni, Testudo graeca und Testudo horsfieldii ist es in der Regel etwa 1:1.

            Natürlich kommt es bei manchen anderen Arten in bestimmten Biotopen ebenfalls zur Abweichung von einem ausgeglichenen Geschlechterverhältnis, aber dann kann es genau so gut sein, daß es mehr Weibchen als Männchen gibt.

            Stichwort der Soziobiologie: Weibchenwahl
            Die findet auch dann statt, wenn es gleich viele oder weniger Männchen als Weibchen gibt. Wie Annemarie schon schreibt, sind immer nur verhältnismäßig wenige Männchen die Väter der nächsten Generation.

            Die Kriterien der Partnerwahl der Weibchen sind noch nicht wirklich gut erforscht. Bei Landschildkröten deutet Einiges darauf hin, daß sich die allgemeine Fitness auf die Paarungslaute auswirkt und daß die Weibchen die Männchen danach beurteilen. Hier ein ganz gut lesbarer Artikel dazu http://www.literatur.testudolinks.de...urceView&id=73 - leider habe ich den noch nirgendwo frei als PDF gefunden.

            Du hast Dir da ein spannendes Thema vorgenommen, da vergeht die Woche sicher viel zu schnell

            Viel Spaß und viele Grüße
            Beate
            Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

            Kommentar


            • #7
              @Annemarie
              @Beate,

              vielen Dank für eure ausführlichen Antworten! Ich habe auch in einem anderen Forum die gleiche Frage gestellt und keine einzige Antwort bekommen.
              @ Annemarie: Deine Überlegungen kann ich nachvollziehen, aber warum sollte sich die Investition in viele Männchen überhaupt jemals lohnen? Doch nur, damit die Weibchen auswählen können, oder?

              Ich konnte natürlich den Urlaub jetzt doch nicht abwarten und habe mir gleich mal zwei Artikel runtergeladen (Roosenburg und Hailey) und eine Anfrage bei Galeotti für den Artikel über die Paarungslaute gestellt. So beginne ich halt schon jetzt den Kampf mit den englischen Texten - hält wenigstens fit im Kopf.

              Viele Grüße,
              Miyax

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              • #8
                Hallo,

                das ist eine allgemeinbiologische Fragestellung, die dann auch für andere Tierarten gilt. Sagen wir so, die Investition in einen Sohn lohnt insbesondere dann, wenn dieser die denkbar optimalsten Startbedingungen hat und ein supertoller Hecht ist. Dann gibt er die Gene seiner Mutter in großer Zahl weiter.

                Aber die Forscher haben längst rausgefunden, dass die Sache mit den "Fittesten" längst nicht das Einzige ist, was zum Paarungserfolg führt. Weibchen vieler Arten paaren sich zwar mit dem Leithengst, dem Platzhirsch, dem Rudelführer etc. Aber sie neigen dazu, wenn der Chef wegschaut, auch mal fremd zu gehen. Das im Verborgenen geschickt agierende Männchen, das schnell seine Chance nutzt, kann also auch mal Vater werden. Auch die scheinbar überzähligen, überflüssigen Männchen tragen ihr Teil bei. Wo liegt da der biologische Sinn, mag man fragen?

                Ich kann mir mehrere Gründe vorstellen. Einen einfachen Grund: Gäbe es nur ganz wenige Männchen, dann müssten diese ihre Fitness ja gar nicht unter Beweis stellen. Es gäbe gar keine Auslese des Stärksten, denn es sind keine Rivalen da. Dann spielt wohl noch eine Rolle, dass im Prinzip ein Geschlechterverhältnis nahe an 1:1 für den Erhalt der Gesamtpopulation und der Genvielfalt optimal ist. Populationen, deren Genpool schrumpft, z. B. weil es nur ganz wenige Männchen gibt, die ihre Gene in Massen weitergeben, sind langfristig weniger überlebensfähig als Populationen, die über einen vielfältigeren Genpool verfügen. Das liegt daran, dass solche Populationen flexibler sind, wenn sich die Umweltbedingungen ändern oder wenn Krankheiten die Population bedrohen. Nach dem Motto: Irgendeiner wird schon die passende Antwort in seinem Gencode haben.

                Schildkröten haben hier auch eine passende Antwort: Das sind die multiplen Vaterschaften, die inzwischen für viele Arten nachgewiesen sind. Die Jungtiere in einem Gelege können in Wirklichkeit zwei oder mehr Väter haben. Auch das ist letztlich ein Vorteil für das Weiterleben der weiblichen Gene. Waren die Gene des einen Vaters nicht optimal, dann war vielleicht der andere besser. Sozusagen Risikostreuung. Denn nicht immer und nicht in allen Lebenssituationen ist der Stärkste im Land der beste Vater für den Nachwuchs. Es ist also etwas vereinfacht zu behaupten, nur ein Männchen von vielen hätte eine Chance, seine Gene weiterzugeben. Im Prinzip haben diese Chance alle Männchen, die geschlechtsreif werden, nur nicht ganz im gleichen Umfang. Aber alle Lottospieler unter uns nutzen ja auch noch die allerkleinste Chance ;-))

                Gruß
                Annemarie

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                • #9
                  Hallo Miyax, hallo Annemarie,

                  Schildkröten haben hier auch eine passende Antwort: Das sind die multiplen Vaterschaften, die inzwischen für viele Arten nachgewiesen sind. Die Jungtiere in einem Gelege können in Wirklichkeit zwei oder mehr Väter haben. Auch das ist letztlich ein Vorteil für das Weiterleben der weiblichen Gene. Waren die Gene des einen Vaters nicht optimal, dann war vielleicht der andere besser. Sozusagen Risikostreuung. Denn nicht immer und nicht in allen Lebenssituationen ist der Stärkste im Land der beste Vater für den Nachwuchs.
                  Das wird ganz ausführlich in diesem Artikel hier diskutiert: http://article.pubs.nrc-cnrc.gc.ca/R...=cjz&volume=84 (sogar wieder einer über Landschildkröten!).

                  Es ist also etwas vereinfacht zu behaupten, nur ein Männchen von vielen hätte eine Chance, seine Gene weiterzugeben.
                  Ganz so hab' ich's ja auch nicht gesagt. Aber ich habe schon gesagt, daß verhältnismäßig wenige Männchen diese Chance haben. Bei vielen Schildkrötenarten sind die Männchen (auch nach Erreichen der Geschlechtsreife) einem höheren Feinddruck ausgesetzt, weil sie vor allem zur Paarungszeit recht weite Strecken zurück legen und dabei nicht so sehr in Deckung bleiben. Wer also nicht fit genug war (oder nicht das Glück hatte), den Freßfeinden zu entgehen, hat dann auch keine Chance mehr, seine Gene weiter zu geben. Ich hab' das bloß nicht deutlich genug mit rein gebracht...

                  Natürlich haben aber auch Weibchen immer mit Freßfeinden zu rechnen. Bloß wenn ein Weibchen nicht mehr lebt, sind damit auch die zukünftigen Eier und die Gene der Männchen, die sich mit diesem Weibchen gepaart haben und die evtl. Väter der ansonsten zur Welt gekommenen Jungtiere geworden wären. Hier greift die Auslese also etwas anders an.

                  Viele Grüße
                  Beate

                  P.S. Ich lasse mir beim Lesen von englischen Texten gerne von www.leo.org helfen.
                  Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

                  Kommentar


                  • #10
                    Hallo Beate,

                    eigentlich wollte ich nicht dich, sondern mich selber korrigieren ;-)
                    Was ich geschrieben hatte, klang so, als hätten viele Männchen gar keine Chance, sich fortzupflanzen.

                    Für T. horsfieldii habe ich mal gelesen, dass sich die Weibchen überwiegend mit Männchen paaren, die jünger sind als sie selbst. Grund dafür ist die kürzere Lebenserwartung der Männchen, die ein riskanteres, weniger verstecktes Leben führen, mit Rivalen kämpfen und zusätzlich aufgrund ihrer geringen Körpergröße leichter Beute von Feinden werden. Ich weiß nicht, ob das evt. auch dadurch ausgeglichen wird, dass prozentual gesehen mehr Männchen als Weibchen schlüpfen, oder ob dann auch ein zugunsten der Weibchen verschobenes Geschlechterverhältnis resultiert. Das hätte für die Gesamtpopulation aber einen positiven Effekt. Mindestens auf der Vaterseite fänden dadurch die Generationswechsel schneller statt, die Evolution schreitet nicht gar zu langsam voran.

                    Gruß
                    Annemarie

                    Kommentar


                    • #11
                      Hallo Annemarie,
                      Für T. horsfieldii habe ich mal gelesen, dass sich die Weibchen überwiegend mit Männchen paaren, die jünger sind als sie selbst. Grund dafür ist die kürzere Lebenserwartung der Männchen, die ein riskanteres, weniger verstecktes Leben führen, mit Rivalen kämpfen und zusätzlich aufgrund ihrer geringen Körpergröße leichter Beute von Feinden werden.
                      Ja, das meinte ich auch - ich hab' mich zugegeben nicht gerade toll ausgedrückt. Damit Miyax der Lesestoff nicht ausgeht : Einige der Artikel dazu gibt's hier http://www.cebc.cnrs.fr/Fidentite/bo...ublication.htm zum Runterladen.

                      Über die zu diesem Thema passendste Untersuchung "Does body size influence access to females in Testudo horsfieldii?" hat Xavier Bonnet beim Schildkrötenkongreß 2002 in Hyères vorgetragen, aber leider hat er noch nicht Mal das Abstract online gestellt. Wenn das jemanden interessiert, kann ich nur empfehlen, ihn einfach anzuschreiben. Er soll sehr nett sein. Selber gesprochen/geschrieben habe ich mit ihm allerdings noch nicht.

                      Ich weiß nicht, ob das evt. auch dadurch ausgeglichen wird, dass prozentual gesehen mehr Männchen als Weibchen schlüpfen
                      Dazu habe ich nichts finden können. Die Untersuchungen, die ich kenne, haben keine Jungtiere auf ihr Geschlecht hin geprüft. Aber was nicht ist... Wir bleiben dran, gell?

                      oder ob dann auch ein zugunsten der Weibchen verschobenes Geschlechterverhältnis resultiert.
                      In den Arbeiten, die ich kenne, weicht das Geschlechterverhältnis nicht wesentlich von 1:1 ab. Das heißt ja aber nur, daß man's eventuell nicht erkennt, weil ja die Männchen deutlich früher geschlechtsreif werden als die Weibchen.

                      Es ist halt alles nicht so einfach

                      Das hätte für die Gesamtpopulation aber einen positiven Effekt. Mindestens auf der Vaterseite fänden dadurch die Generationswechsel schneller statt, die Evolution schreitet nicht gar zu langsam voran.
                      ... was gerade bei den langlebigen und relativ spät geschlechtsreif werdenden Landschildkröten sicher ein ganz wichtiger Aspekt ist!

                      Viele Grüße
                      Beate
                      Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

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                      • #12
                        Macht ihr beiden das eigentlich rein hobbymäßig oder seid ihr Biologinnen?
                        Ich bin schwer beeindruckt vom Niveau eurer Diskussion - ist doch recht selten in Foren.

                        Grüße,
                        Miyax

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                        • #13
                          Hallo Miyax,
                          Macht ihr beiden das eigentlich rein hobbymäßig oder seid ihr Biologinnen?
                          Ich verrate nicht zu viel, wenn ich sage, daß wir beide keine hauptberuflichen "echten" Biologinnen sind.

                          Ich arbeite jetzt in der IT (Standardsoftware-Beratung), aber Du siehst das schon richtig - ich habe Biologie studiert und hatte für meine Abschlußarbeit ein ganz ähnliches Thema. Allerdings habe ich mit Fischen gearbeitet.

                          Die Diskussionen mit Annemarie habe ich sonst privat geführt - vor allem zu dem Artikel, den ich Dir als ersten empfohlen hatte. Ich find's aber gut, wenn wir das hier weiter diskutieren und dabei direkt auf Fragen von Forenteilnehmern eingehen können!

                          Die Schildkröten-Literatursammlung "betreibe" ich seit über 25 Jahren. In diesem Zusammenhang auch ein großes Dankeschön an Sarina, die meine Sammlung aufbereitet und ins Netz gestellt hat bzw. weiterhin stellt, und auch an Annemarie und "einige" andere Forenteilnehmer hier, die immer Mal wieder dran mitarbeiten und vor allem mit diskutieren!

                          Das aktuelle Dankeschön gilt aber jetzt Dir - weil Du diese Diskussion angestoßen hast und Dich weiter dran beteiligst Auch das ist in den Foren eher selten.

                          Viele Grüße
                          Beate
                          Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

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                          • #14
                            Hallo!

                            Ich habe den Eindruck, dass man eines Tages vielleicht einmal darauf kommen wird, dass die Geschlechtsdetermination bei den Reptilien so wie auch bei anderen Wirbeltieren durchaus primär allein über die Chromosomen erfolgt. Die anderen Einflussfaktoren, die hier genannt wurden (Zeitigungstemperatur, Substratfeuchte, Sauerstoffgehalt im Substrat, Alter und Gesundheitszustand des Weibchens und so weiter), dürften möglicherweise nur sekundär zu einer Auslese aus den schon vorher chromosomal determinierten Embryonen führen. Zu diesem Schluss kann man jedenfalls kommen, wenn man die eindeutig von der Zeitigungstemperatur abhängigen Mortalitätsraten der Embryonen bei Eendebak mit seiner "sex ratio" vergleicht und zugleich annimmt, dass sich die gleichbleibende Zeitigungstemperatur auf das männliche und weibliche Chromosom verschieden auswirkt.

                            Die Mortalitätsrate bei gleichbleibender Inkubationstemperatur nach Eendebak

                            Quelle: INCUBATION PERIOD AND SEX RATIO OF TESTUDO hermanni boettgeri
                            BERT EENDEBAK 2001 (http://www.schildpadden.akkido.com/p...tions/pub2.pdf)

                            Inkubationstemperatur in °C; Anzahl (N) der Messdaten; Mortalitätsrate in %
                            23 .................................................?.......... ....................100
                            24................................................12........ .......................67
                            25..................................................3....... ........................33
                            26................................................10........ .......................30
                            27................................................10........ .......................70
                            28................................................20........ .......................15
                            29................................................10........ ........................0
                            30................................................27........ .......................11
                            31................................................56........ .......................25
                            32................................................75........ .......................20
                            33...............................................285........ ......................50
                            34.................................................42....... .......................57
                            35...................................................3...... .......................100


                            Man könnte hier auf die Idee kommen, dass das Geschlechtsverhältnis der tatsächlich am Leben bleibenden Schlüpflinge (sex ratio) allein durch die Mortalitätsrate geregelt wird. Bei Temperaturen unter 29 Grad könnten mehr weibliche Embryos absterben, bei Temperaturen darüber mehr männliche. Ob es tatsächlich so ist, wurde anscheinend noch nicht untersucht. Die herrschende Meinung geht zur Zeit jedenfalls dahin, dass bei vielen Reptilien das Geschlecht nicht durch Chromosomen von vornherein festgelegt wäre, sondern erst durch die Inkubationstemperatur u. a. Faktoren induziert wird. Ob das wirklich so hundertprozentig erwiesen ist? Man darf daran zweifeln.

                            Gruß
                            Gottfried

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                            • #15
                              Hallo Gottfried,
                              ... Geschlechtsdetermination bei den Reptilien so wie auch bei anderen Wirbeltieren durchaus primär allein über die Chromosomen erfolgt. Die anderen Einflussfaktoren, die hier genannt wurden (Zeitigungstemperatur, Substratfeuchte, Sauerstoffgehalt im Substrat, Alter und Gesundheitszustand des Weibchens und so weiter), dürften möglicherweise nur sekundär zu einer Auslese aus den schon vorher chromosomal determinierten Embryonen führen.
                              Es gibt z.B. Untersuchungen an Geflügel, die tatsächlich zeigen, daß bei Eiern von gestressten Weibchen die Jungen eines Geschlechts selektiv absterben können - wohlgemerkt: "können" und "Geflügel"... Bei Schildkröten ist das bisher nicht nachgewiesen.

                              Bei Schildkröten gibt es auch Arten mit rein genetischer Geschlechtsdetermination - z.B. manche Weichschildkröten und Halswender. Bei anderen Arten wird das Geschlecht nicht ausschließlich durch äußere Faktoren bestimmt, sondern bei ihnen spielt auch eine genetische Komponente mit, z.B. bei der Europäischen Sumpfschildkröte, schau hier: http://journals.cambridge.org/action...ct?aid=1791744

                              Es scheint sogar Arten zu geben, bei denen manche Populationen eher eine genetische und andere eher eine temperaturabhängige Geschlechtsfixierung haben, z.B. in der Gattung Staurotypus, siehe http://www.literatur.testudolinks.de...ceView&id=4715

                              Daß aber bei Schildkröten grundsätzlich eine selketive Sterblichkeit der Embryonen je nach Temperatur zu überwiegend männlichen oder überwiegend weiblichen Schlüpflingen führen würde, läßt sich statistisch nicht belegen. Die Schlupfraten in den neueren Untersuchungen sind einfach zu hoch und liegen rund um die ermittelten Scheitelpunkte in der Regel oberhalb 90%. Lediglich bei extremen Temperaturen (meist unter 25C bzw. über 33C - je nach Art etwas unterschiedlich) sterben viele der Eier ab, aber das muß ja nun nicht daran liegen, daß diese Tiere Männchen oder Weibchen geworden wären.

                              Um zu den europäischen Landschildkröten zurück zu kommen: Schau Dir die Auswertungen und Statistiken in dem genanten Artikel von Jasser-Häger und Winter Mal genauer an - auch da ist die Schlupfrate "über alles" sehr hoch, obwohl es sich ja um Tiere unter ganz unterschiedlichen Haltungsbedingungen in Menschenobhut und außerhalb des natürlichen Vorkommens gehandelt hat.

                              wenn man die eindeutig von der Zeitigungstemperatur abhängigen Mortalitätsraten der Embryonen bei Eendebak ...
                              Stimmt, aber... Schau Dir Mal alle Artikel dort an, und schau' vor allem auf die Haltungsbedingungen. Dann siehst Du vielleicht, warum diese Artikel "nicht so gerne" zitiert werden.

                              Viele Grüße
                              Beate
                              Früher unter "Beate" hier in den Foren aktiv. Halte und züchte verschiedene Schildkröten und bin seit Gründung Mitglied der AG Schildkröten. Lieblings- Spitzname "Bücherwurm".

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