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Gonadendormanz bei Orthoptera

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  • Gonadendormanz bei Orthoptera

    Hallo zusammen,
    hallo Gaby oder Christiane ,

    hat sich jemand von Euch schon mal mit Gonadendormanz („Gonaden-Ruhe“/ ausbleibende oder verspätete Entwicklung der Geschlechtsorgane) bei Orthopteren beschäftigt? Wenn ja, welche Ursachen sind Euch hierfür bekannt?

    Gruß,
    Jürgen

  • #2
    Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

    Grüß' dich, lieber PapaSchlumpf,
    du stellst ja hier knifflige Fragen, die selbst Christiane - wenn sie denn hier im Forum auftauchen würde - sicher kaum beantworten könnte!
    Allgemein bekannt ist ja, dass die Gonaden erst nach der Imaginalhäutung einige Zeit für ihre vollständige Ausreifung benötigen. Diese Reifungszeit wird (wie die gesamte postembryonale Entwicklung) u. a. sicher ausgesprochen temperaturabhängig sein, aber auch je nach Art gewissen individuellen Schwankungen unterliegen.
    Vielleicht hilft dir die folgende Arbeit weiter:
    RENNER, M. (1952): Analyse der Kopulationsbereitschaft des Weibchens der Feldheuschrecke Euthystira brachyptera OCSK. in ihrer Abhängigkeit vom Zustand des Geschlechtsapparates. Zeitschr. Tierpsychol. 9, Heft 1.
    Ansonsten möchte ich dir sagen, dass du mir ausgesprochen sympathisch bist! Scheinst ein netter Kerl zu sein!
    Ganz liebe Grüße
    Gaby

    Kommentar


    • #3
      Re: Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

      Hallo Gaby,

      danke schön, sowohl für die Antwort und die Literaturangabe, als auch für den Honig , wobei wir beim Thema wären...
      Bisher hatte ich im Bezug auf andere Insektengruppen ein paar Dinge zur Gonadendormanz gefunden, allerdings wenig im Bezug auf Orthopteren.

      KOCH (1965 bis 1970) beschreibt einen Zusammenhang zwischen der Eireifung und der Aufnahme des Vitamins E mit Blütennektar oder Honig bei Schmetterlingen. Seine Versuche ergaben bei Fütterung mit Vitamin E (Tokopherol) eine beschleunigte Gonadenreife.
      Beim Totenkopfschwärmer und den anderen Wanderschwärmern kann die Kopula bereits bald nach dem Schlüpfen erfolgen, aber die Eiablage wird durch allmähliche Reifung verzögert (in Abhängigkeit von den photoperiodischen Bedingungen während der Raupenentwicklung) und wenigstens um etwa eine Woche hinausgeschoben, was bei den hervorragenden Fliegern ausreicht, um 1000 oder mehr Kilometer zurückzulegen. Der mit reifen Eiern gefüllte Leib wäre wohl gewiss eine Belastung während des langen Fluges. Mit Wanderungen bei Mantiden ist es allerdings nicht weit her.
      Aber die Wanderheuschrecke (Locusta migratoria) fliegt im Aufbruchgebiet mit unentwickelten Eiern ab, die während der Wanderschaft reifen und im Invasionsgebiet abgesetzt werden.
      Unter südlichen Klimabedingungen können hohe Sommertemperaturen angeblich auch hemmend wirken. Beim mediterranen Marienkäfer Chilocorus bipustulatus soll die Gonadenentwicklung durch hohe Temperaturen gestoppt werden.Derartiges könnte auch für andere Insektengruppen zutreffen.

      Viele Arten mit Diapausen im engeren Sinne (Eudiapausen) sollen hinsichtlich ihrer Generationenzahl flexibel sein. Laut REINHARDT und HARZ, Wandernde Schwärmerarten, Neue Brehmbücherei, Bd. 596 (die meisten hier aufgeführten Daten beziehen sich hierauf), sind sie solange zur ununterbrochenen Entwicklung (Nondormanz) fähig, wie die Umweltbedingungen es zulassen. In einem bestimmten Ontogenesestadium, welches vor dem zur Dormanz fähigen Stadium liegt, sind sie für das arttypische exogene Signal sensibel. In den allermeisten der bisher untersuchten Diapausen ist das die so genannte „kritische Photoperiode”. Im Gegensatz zur Parapause tritt die Diapause als fakultative Dormanzform auf, womit Bi- bzw. Polyvoltinismus gewährleistet sein soll. In gemäßigten Breiten lebende Arten entwickeln sich unter Langtag dormanzfrei. Unter Kurztag wird Diapause-Entwicklung induziert, die dann aber nicht durch Langtag, sondern erst nach Durchlaufen einer längeren Kühleperiode beendet wird. Die Schwelle des Umschaltens der Entwicklungsrichtung wird als kritische Photoperiode bezeichnet. Ihre Licht/Dunkelzeiten sind erblich fixiert und den Klimaverhältnissen des Areals angepasst. Werden große Areale bewohnt, weisen die einzelnen Populationen unterschiedliche kritische Photoperioden auf.
      Als kritische Photoperiode einer Population wird der Zeitpunkt angesehen, bei dem 50 % der Tiere noch Nondiapause, die anderen 50 % bereits Diapauseentwicklung zeigen. Der Umschlagsbereich ist sehr eng begrenzt, so dass eine sigmoidale Kurve entsteht, die man als photoperiodische Wirkungskurve bezeichnet. Aus dieser Kurvenform ist eine, wenn auch geringe, Variabilität der Population erkennbar. Einige Individuen reagieren bereits auf kürzere, andere auf längere Photophasen. Im Extremfall enthält die Population Individuen, die sehr abweichend reagieren, weshalb in einer ausreichend großen Stichprobe vereinzelt z. B. trotz Kurztag Nondormanz eintritt. Die Flexibilität kann einen großen Vorteil haben, weil dadurch u. U. der Fortbestand der Art, wenn auch in stark reduzierter Anzahl, bei Eintritt außergewöhnlicher Witterungsbedingungen gesichert ist oder im entgegengesetzten Fall günstige Wetterlagen weiter genutzt werden können.
      Dies könnte ebenfalls im Bezug auf die Diskussion von neulich um Spodromantis viridis aus Südspanien interessant sein.

      SPIETH (1985) konnte beim Großen Kohlweißling (Pieris brassicae) nachweisen, dass die kritische Photoperiode sogar bei Populationen unterschiedlich liegt, die annähernd die gleiche geographische Breite besiedeln, andererseits Populationen aus unterschiedlichen geographischen Breiten ähnliche kritische Photoperioden zeigen. Die Tiere des Bodenseegebietes (47,5° n. Br.) benötigen für diapausefreie Entwicklung etwa 1 h Licht pro Tag weniger als solche aus dem Karawanken-Gebirge (46,5° n. Br.), während aus der Gegend von London (52° n. Br.) stammende Raupen den Bodenseetieren in dieser Hinsicht fast gleichen. Dies scheint zunächst ein Widerspruch zu sein, der sich aber sofort bei tiefgründigerer Betrachtung klärt und die Flexibilität der Art unter dem Selektionsdruck der Umwelt offenbart. Aus der photoperiodischen Wirkungskurve ist ersichtlich, dass die Lage der kritischen Photoperiode individuell genetisch fixiert ist. Unter den Verhältnissen des Gebirges (Karawanken) haben die Genotypen einen Selektionsvorteil, die bereits auf um 1 h kürzeren Tag mit Diapause reagieren, weil ungünstigere Umweltbedingungen schon viel früher eintreten als z. B. im klimatisch begünstigten Bodenseegebiet. Andererseits haben sich im maritimen Klima von Südengland (52° n. Br.) jene Genotypen manifestiert, die Diapause erst zu einem späteren Zeitpunkt einleiten und damit der Population des um etwa 5° südlicher gelegenen Bodensee entsprechen. In jedem Fall ist diese Anpassung von Vorteil für die Art, denn sie kann die Vegetationsperiode der Gegenden durch populationsspezifische Reaktion optimal ausnutzen. Derartige Variabilität scheint nicht auf alle Insekten zuzutreffen.
      Dass Dormanz und Nondormanzentwicklung auch verschiedene Morphen (Saisonformen, Ökomorphosen) hervorbringen kann, wurde ausführlich am Landkärtchenfalter (Araschnia levena) untersucht und zusammengefasst im Band 458 der Neuen Brehm-Bücherei dargestellt (REINHARDT 1984).
      Wie bereits oben erwähnt, entstammen diese Daten aus „Wandernde Schwärmerarten“.

      Warum hab ich nun dies alles geschrieben; sowohl Christian, als auch ich haben bereits des Öfteren erwähnt, dass manche Mantidenarten Probleme bei der Nachzucht bereiten und dies höchstwahrscheinlich an bisher nicht beachteten Faktoren liegen dürfte. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Arten, deren Habitate geringen jahreszeitlichen Schwankungen (Temperatur, Niederschlag, Tageslänge) unterliegen. Eine Frage ist nun, ob bei Diesen bestimmte Regelmechanismen derartig „feingesteuert“ vorliegen könnten, dass bei Terrarienhaltung eine noch exaktere Simulation der natürlichen Bedingungen erfolgen müsste (Variation der Beleuchtung, selbst wenn es sich im Jahresverlauf nur um eine oder zwei Stunden handeln sollte, Lichtspektrum,...) oder ob bestimmte essentielle Bestandteile der Nahrung fehlen könnten, oder… . Um dies zu knacken könnte ein bisschen Hilfe nicht schaden , daher meine Frage, ob Dir, oder sonst jemanden, hierzu noch was einfallen könnte. Vielen herzlichen Dank, falls Dir noch was zu Ohren kommt, lass es uns bitte wissen, lieben Gruß,

      Jürgen


      [[ggg]Editiert von PapaSchlumpf am 14-05-2004 um 18:59 GMT[/ggg]]

      Kommentar


      • #4
        Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

        Lieber Jürgen,

        zunächst diese kurzen Zeilen, eine ausführlichere Antwort folgt später. Ich bin dermaßen beeindruckt von deinem WUNDERVOLLEN Text mit seiner Fülle von Informationen in komprimierter Form (!) zu Dormanzerscheinungen, dass ich mir "dein Werk" gleich habe ausdrucken lassen!

        Da du öfter die Reihe "Die Neue Brehm-Bücherei" erwähnst, wirst du sicher auch den Band 629, "Die Heuschrecken Mitteleuropas" von INGRISCH & KÖHLER (1998 ), kennen!? Ab S. 60 finden sich Hinweise zur Entwicklungsdauer und Diapause bei Ensifera und Caelifera.

        Ich muss deinen GEWALTIGEN Text erst einmal "verdauen" (er geht ja sowohl stilistisch als auch inhaltlich weit über das Maß dessen hinaus, das man in einem derartigen Forum erwarten darf!) und werde dann versuchen, befriedigend zu antworten, ob mir dies jedoch gelingt, kann ich dir natürlich nicht versprechen. Bei meinen Antworten zu "Orthodera novae-zelandiae" (Kümmel der Lümmel) deutet sich ja möglicherweise schon ein Beispiel für Gründe für manche Misserfolge an (Diapause-Eier?)!

        Herzlichst
        Gaby

        [[ggg]Editiert von Gaby Müller am 15-05-2004 um 09:57 GMT[/ggg]]

        [[ggg]Editiert von Gaby Müller am 15-05-2004 um 09:58 GMT[/ggg]]

        [[ggg]Editiert von Gaby Müller am 15-05-2004 um 10:01 GMT[/ggg]]

        Kommentar


        • #5
          Re: Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

          Hallo Gaby,

          wie gesagt, die Lorbeeren gebühren nicht mir, sondern oben genannten Autoren. Ich habe lediglich das für diese Diskussion, falls es eine werden sollte , Wesentliche zusammengefasst.
          Neben den bereits aufgeführten Punkten, wären eventuell noch weitere Faktoren zu erwarten, die entweder eine Gonadenreifung/-ausbildung begünstigen oder verzögern/verhindern.

          Wie erwähnt, stammen viele „Sorgenbringer“ aus Gebieten mit geringen Schwankungen der aufgeführten Faktoren im Jahresverlauf.

          Haltet Ihr es deshalb für möglich, dass bei höheren Temperaturen, als in ihrem Habitat üblich, manche Arten eine verringerte/ ausbleibende Reproduktion aufweisen?
          Könnte sich neben einem ungünstigen hell-dunkel-Verhältnis auch die Beleuchtung im Bezug auf ihre Qualität (Lichtspektrum) un- bzw. günstig auswirken?
          Unabhängig davon, ob nun manche Arten Blüten imitieren, um Beute anzulocken oder um zwischen Blüten bzw. als vermeintliche Blüten gut getarnt zu sein, so würde es doch nahe liegen, dass derartige Tiere in ihrem Futterspektrum eine nicht geringe Anzahl an Blütenbesuchern aufweisen. Wenn nun bei blütenbesuchenden Insekten teilweise eine Begünstigung der Gonadenentwicklung durch in Honig oder Nektar enthaltenen Stoffe auftritt, siehe oben Tokopherol, und diese nicht vom Tier selbst zu synthetisieren sind, wäre nicht eine Abhängigkeit davon auch bei entsprechenden Raubinsekten denkbar?

          Dies nur mal als Überlegung, Euch fällt bestimmt noch Weiteres ein.
          Lieben Gruß und schönes Wochenende,
          Jürgen

          Kommentar


          • #6
            Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

            Hallo.

            Die Rolle der Temperatur bei solchen Problem-Arten halte ich für ziemlich wichtig. Ich vermute langsam, daß für Acanthops tuberculata die etwas hohe Temperatur in meinen Becken für die ausbleibende Paarungsbereitschaft eine Rolle gespielt haben könnte, auch wenn ich eine natürliche "Inzuchtschranke" für Geschwister nach wie vor für möglich halte und, falls es sie gibt, für den wichtigsten Grund halte (siehe anderen Thread).

            Was das Futter der Blütenbesucher angeht, so bin ich vorsichtig. Daß abwechslungsreiches Futter bei manchen Arten nötiger sein könnte als bei anderen ist sehr wahrscheinlich. Daß aber eine bestimmte Substanz für eine Art essentiell sein soll, für eine andere, nah verwandte Art aber nicht, halte ich für spekulativ und eher unwahrscheinlich. Beispiel Hymenopus: wieso sollte gerade diese Art eine pflanzliche Nahrungskomponente brauchen, während alle Creobroter, Pseudocreobotra, Theopropus usw. sich ganz gut unter den "üblichen" Bedingungen halten lasse, wobei Theopropus in den Ansprüchen schon so etwas wie einen Übergang zu Hymenopus darstellt. Wenn man aber bedenkt, daß Creobroter und Pseudocreobotra, dann aber auch Pseudoharpax und andere, weniger oft gehaltene Gattungen, entweder Savannentiere sind oder Kulturfolger bzw. Bewohner gestörter Habitate, während Hymenopus ein Regenwaldtier ist, stehen wir wieder vor der alten Auffälligkeit, daß nur Primärwaldarten immer "rumzicken".

            Ich halte klimatische Faktoren für den Schlüssel des Problems. Bei TT habe ich schon mal erwähnt, daß gerade Arten der Nebelwälder, die fast gleichförmige Bedingungen vorweisen, sehr empfindlich auf jegliche Zunahme trockener Perioden reagieren, auch wenn die Niederschlagsmenge gleich bleibt (für mittelamerikanische Frösche nachgewiesen). In diese Richtung würde ich gehen, und bei Licht, Feuchte und Temperatur die eigentliche Ursache suchen.

            Zwar gibt es bei Mantiden Fälle einer Nahrungsspezialisierung (z.B. auf Ameisen: bei Liturgusa, Tarachodes, Eremiaphila, Pyrgomantis; auf Schaben (unbewiesen): Metallyticus), aber meist leben sie nicht ausschließlich, sondern in der Natur nur hauptsächlich davon. Viele kann man ja züchten, auch wenn man keine Ameisen bietet. Bei Problemfällen dürfte abwechslungsreiches Futter Wunder wirken, man muß nicht versuchen, irgendwas Besonderes zu bieten. Mantiden sind Generalisten und futtern meist alles, was ihnen paßt (Ausnahme: Ameisen: Arten, die sonst keine Ameisen fressen, rühren sie auch nicht an), daher ist Vielfalt immer von Vorteil.

            VG,
            Christian

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            • #7
              Re: Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

              Hallo Christian,

              immer wieder stößt man auf Angaben, laut denen Mantiden auch an "nicht-belebtes" Futter gehen (Diskussion bei Terra-Typica; Pollen Feeding and Fitness in Praying Mantids: The Vegetarian Side of a Tritrophic Predator, Issn: 0046-225X Journal: Environmental Entomology Volume: 32, Issue: 4 Pages: 881-885, Authors: Beckman, Noelle, Hurd, Lawrence E.; http://www.bugsincyberspace.com/mantids/hymenopus_coronatus.html , und weitere).
              Gerade die Inhaltsstoffe von Honig, Nektar und Pollen sind interessant. Wie bereits oben geschrieben, sind blüten-besuchende Insekten in nicht geringer Zahl bei vielen Arten im Beutespektrum enthalten. Somit nimmt der Jäger zwangsläufig Pollen, etc. über die Beute mit auf, da Pollensäcke und Inhalt des Magen-Darm-Traktes ebenfalls mitgefressen werden. Bei Arten die auf Ameisen spezialisiert sind, die ja ihrerseits teilweise Blattläuse "melken" oder Nektar, Honig und Pollen nicht verschmähen, dürften ebenfalls diese Komponenten mit aufgenommen werden. Das Ganze läßt sich durchaus weiterspinnen...
              Evtl. ist es eine Überlegung wert, die Futtertiere mit Honigwasser oder Pollen anzufüttern, könnte ja was bringen. Ich hatte längere Zeit den Fliegen nur Zuckerwasser und Obststückchen angeboten und bin jetzt wieder auf Honiglösung umgestiegen, mal gucken...

              Gruß,
              Jürgen

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              • #8
                Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

                Hallo,

                ich denke eine einfachere Lösung währe ,zumindest im sommer, Futtertiere in der Natur zu fangen. Oder wie sieht es mit Wachsmotten aus? Die Larven fressen ja auch den in dem Zuchtsubstrat meist enthaltenen Honig. Welche Futtertiere fütterst du denn mit Pollen an und wo bekommst du diese her (vorallem im Winter)?

                Gruß
                Markus

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                • #9
                  Re: Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

                  Hallo,

                  klar ist in der Natur gefangenes Futter die beste Variante für die Tiere. Allerdings, wie Du angesprochen hast, jahreszeitlich beschränkt und nicht jeder/jede hat die Möglichkeit ständig an Solches ranzukommen. Bei einer großen Zahl an Pfleglingen stößt man auch schnell an Grenzen.
                  Bei dem im Nährsubstrat für Wachsmotten enthaltenen Wachs dürfte es sich um ausgediente Bienenwaben handeln. Mir waren sie bisher immer zu teuer.
                  Pollen sollte im Reformhaus zu bekommen sein, allerdings wäre Honigwasser zum Anfüttern von Fliegen die billigere Lösung. Auf die Geschichte mit Pollen bin ich durch oben genannten Artikel aufmerksam geworden. In der Terrarienhaltung, bei einer großen Zahl an Tieren, wahrscheinlich zu kostenintensiv, aber im Lebensraum durch/über viele Beutetiere durchaus verfügbar.
                  Das Ganze soll eigentlich nur ein Denkanstoss sein. Viele Arten, aber nicht alle, pflanzen sich schließlich auch mit 08-15-Futter aus dem Zoogeschäft fort, ohne dass es vorher speziell angefüttert wurde, allerdings dürfte "was Anständiges" empfehlenswerter sein und evtl. die Fitness der Tiere steigern. Wenn dem so ist, müßte auch die Fortpflanzungsrate steigen. Im Freiland gefangenes Futter sollte hier ja genau richtig sein, aber wie gesagt, z.B. im Winter muß das Problem anders gelöst werden.

                  Gruß,
                  Jürgen

                  Kommentar


                  • #10
                    Re: Re: Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

                    Also, so teuer ist Pollen gar nicht, ein paar Euro die Packung. Bietet sich evtl. zum Anfüttern von Grillen an.
                    Gruß,
                    Jürgen

                    Kommentar


                    • #11
                      Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

                      Hi.

                      Also das Honigproblem kann ich ausschließen, ich füttere meine Fliegen schon lange mit Honig, die Zucht-Probleme bei Mantiden sind bei mir davon unabhängig.
                      Was Pollen angeht, so bestreite ich gar nicht, daß Mantiden diese gerne fressen (den Artikel kenne ich auch) bzw. daß sie viel zur Vitalität beitragen könnten. Ich bin nur nicht der Meinung, daß sie ESSENTIELL sind, und auch nicht, daß sie die Ursache für das Nichtgelingen der Zucht bei einigen Arten sind, da die besprochenenen Probleme sich bei nah verwandten Arten unterschiedlich ausprägen (s.o.).

                      Was aber interessant sein könnte, ist, ob man Pollen nicht den Futtertieren zu fressen geben sollte, sondern lieber das Futter damit eingestäubt werden sollte, da evtl. schon mal gefressene Pollen schon teilweise von der Grille verdaut werden, was einen Nährstoffverlust bedeutet - zumal ich oft beobachtet habe, daß Mantiden den Darmtrakt von Vegetariern (Heuschrecken, Phasmiden) nicht mitfressen. In den relevanten Fällen in der Natur, in denen Blütenbesucher gefressen werden, sind Pollen meist äußerlich auf dem Futter. Das könnte eine Rolle spielen, meine ich.

                      Generell aber glaube ich, daß zumindest zeitweise abwechslungsreiches Futter, v.a. regelmäßig Wachsmotten, wichtiger ist als der Versuch, sich auf eine bestimmte Nahrungskomponente einzuschießen. Durch meine Versuche weiß ich, daß Mantiden v.a. auf Falter, Fliegen und Heuschrecken abfahren. Das mag jetzt für Terrarianer keine Überraschung sein, weil man ja fast nur das füttert, aber wenn man eine ganze Menge Futtertiere ausprobiert, dann fällt das schon auf. Und schließlich ist das auch nachvollziehbar: zwar ist die erratische Bewegung der Hauptauslöser, aber, betrachtet man die drei Gruppen, so findet man Vegetarier, Blütenbesucher, Zersetzer und Karnivore darunter - d.h. Mantiden erschließen sich durch diese Vorlieben alle wichtigen trophischen (Nahrungs-)-Gruppen und damit die größtmögliche Nährstoffvielfalt.

                      VG,
                      Christian

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                      • #12
                        Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

                        Hallo,

                        sehr schöner Beitrag von Christian!

                        Bestätigen kann ich die interessante Beobachtung, dass der Darminhalt oder der gesamte Darmtrakt z. B. pflanzenfressender Feldheuschrecken von Mantiden oft verschmäht wird. Dieses Phänomen wurde auch schon von HARZ (1960) beschrieben, tritt aber nach meinen Beobachtungen, beispielsweise bei Mantis religiosa und Tenodera aridifolia sinensis, nur bei nahezu gesättigten Tieren auf, hungernde Individuen beider Arten fressen auch den Darmtrakt mit! Überhaupt wurde der Aspekt des "Geschmackes" im Sinne von "geschmackvoll" bei der Nahrung/Ernährung der Mantiden zu wenig beachtet/berücksichtigt. Nach meinen Beobachtungen werden z. B. frisch geschlüpfte Fliegen mit leerem Darmtrakt von T. aridifolia sinensis oft nur teilweise (vor allem die Flugmuskulatur in der Brust) verzehrt und der Rest fallengelassen (wenn die Tiere nicht ausgehungert sind), mit Honigwasser gefütterte Fliegen dagegen von denselben Individuen unmittelbar darauf mit regelrechtem "Heißhunger" vollständig "verputzt", so dass man den Eindruck hat, diese Futtertiere schmeckten den Mantiden besonders gut. Inwieweit solche mit besonders geschmackvollem Futter versorgten Individuen auch ein gewisses "Wohlbefinden" verspüren, vermag ich nicht zu beurteilen. Übrigens kann man auch unter natürlichen Bedingungen gerade bei T. aridifolia sinensis eine Vorliebe für offenbar besonders geschmackvolles, aber auch nahrhaftes Futter, und zwar mit Pollen (!) beladene Honigbienen mit gefüllten Honigmägen, beobachten, die im Spätsommer in den USA in reichen Solidago-Beständen (Kanadische Goldrute) massenhaft gefressen werden. Die (grünen) Tenodera halten sich morgens noch kopfunter im unteren, grünbelaubten Drittel einzelner Solidago-Sprosse auf, dabei wunderbar getarnt, und klettern dann mit zunehmender Wärme und vermehrtem Insektenbesuch hinauf, mitten in die Blütenstände der Goldruten, wo dann unentwegt blütenbesuchende Insekten, vor allem aber Honigbienen, gefangen und verzehrt werden. Bei diesem Anblick und den prallgefüllten Abdomina der Tiere musste ich immer wieder an einen Vergleich mit dem "Schlaraffenland" denken. In solchen Biotopen findet man dann Ende Oktober auch besonders viele und zudem sehr stattliche Tenodera-Ootheken (die Eizahl korreliert ja bekanntlich unmittelbar mit der Kokongröße). Möglicherweise könnte hier der äußerlich (!) an den Beutetieren haftende und in dieser Form aufgenommene Solidago-Pollen zusätzlich für die Vitalität der Mantiden und ihre außergewöhnliche Reproduktionsrate verantwortlich sein!

                        Was den Faktor Licht bei tropischen Mantiden anbelangt, so glaube ich, dass hier weniger die spektrale Zusammensetzung des Lichtes (obwohl die Wellenlänge der Wärmestrahlung/ein Anteil an Wärmestrahlung wohl wichtig ist, sehr schön am "Sich-Sonnen" heimischer Orthopteren nach der morgendlichen Kühle zu erkennen) als vielmehr seine Intensität (Helligkeit) und Dauer (Photoperiode) von Bedeutung sind. Gerade die photoperiodische Wirkung scheint besonders ausgeprägt und wichtig zu sein, was wir ja schön an der Induktion von Dormanzerscheinungen (Diapause) sehen können. Ich könnte mir vorstellen, dass zahlreiche tropische Mantiden (sehr fein/mit einer gewissen Starrheit) an die geringen jahreszeitlichen Schwankungen der auf sie einwirkenden Tageslängen angepasst sind. Unregelmäßigkeiten könnten dann eben zu (physiologischen?) Störungen führen, ähnlich wie bei obligatorischen Kurztagspflanzen (z. B. dem Weihnachsstern, Euphorbia pulcherrima), die ja bei Unterschreiten einer gewissen "kritischen" Tageslänge generativ ("Blüten/Samen bildend"), bei Überschreiten jedoch rein vegetativ wachsen und bei einem Wechsel zwischen einem Über- und Unterschreiten der kritischen Tageslänge "nicht wissen", wie sie reagieren sollen. Bei Weihnachtssternen kann z. B. eine künstlich herbeigeführte Kurztagsperiode (10-Stunden-Tag) durch "Verdunklung" von Gewächshauskulturen durch Stoffe oder Folien durch eine einzige grelle Straßenlaterne und eine gleichzeitige kleine, lichtdurchlässige Stelle in den Folien oder Stoffen zu empfindlichen Störungen bei der Umstimmung von der vegetativen zur generativen Phase führen! Physiologische Störungen könnte es auch bei tropischen Mantiden geben, wenn die auf sie einwirkende Tageslänge durch Licht unserer Wohnräume auf ein Maß steigt, dem die Tiere nicht angepasst sind. So könnten trotz ausgeschalteter Terrarienbeleuchtung unter Umständen bereits ein laufendes Fernsehgerät oder auch geringe Raum- oder sogar Straßenbeleuchtung (unserer Städte) kritisch sein.

                        Ganz sicher hat auch - gekoppelt an die Lichtintensität - die Temperatur einen entscheidenden Einfluss auf die Lebensvorgänge, insbesondere bei tagaktiven Spezies. Wir wissen, dass im Grunde alle Arten ausgesprochen thermophile Tiere sind, die (wenigstens bei den tagaktiven Arten) die meisten Tätigkeiten, wie Beutefang und Paarung, überwiegend während der wärmsten Stunden des Tages verrichten, die ihrerseits wiederum in der Regel mit den Zeiten der größten Lichtintensität zusammenfallen. Bekanntlich hat ja jede Art ihre Vorzugstemperatur, und so kommt es auch, dass z. B. Feld- und Laubheuschrecken ihre Legetätigkeiten nur beim Überschreiten gewisser unterer Temperaturgrenzen (meist einhergehend mit Sonnenschein) fortsetzen, während sie die Eiablage beim Unterschreiten (kühle, trübe Witterung) einstellen. Auch nimmt die Dauer der Ruhephasen zwischen den einzelnen Legephasen beim Erreichen der Vorzugstemperaturen signifikant ab, was für eine beschleunigte Eireifung in den Ovarien sprechen dürfte. Insbesondere gilt dies für Arten offener xerothermer Biotope, die an hohe Lichtintensitäten angepasst sind und sie brauchen. Bekannt ist ja beispielsweise die Stimmulation der Eiablage durch Sonnenschein oder starke künstliche Lichtquellen (hohe Lichtintensität) bei Mantis religiosa in Gefangenschaft (CHOPARD 1920). Anders wird es sich bei so genannten "Waldarten" (von Christian immer wieder erwähnt) verhalten, bei denen hohe Lichtintensitäten kontraproduktiv sein dürften!?

                        Das sollen nur einige wenige Gedanken meinerseits hierzu sein. Patentlösungen habe ich für diese spezielle Problematik leider auch nicht!

                        Liebe Grüße
                        Gaby

                        [[ggg]Editiert von Gaby Müller am 31-05-2004 um 12:24 GMT[/ggg]]

                        [[ggg]Editiert von Gaby Müller am 31-05-2004 um 12:30 GMT[/ggg]]

                        [[ggg]Editiert von Gaby Müller am 31-05-2004 um 18:41 GMT[/ggg]]

                        Kommentar


                        • #13
                          Re: Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

                          Hallo,

                          in letzter Zeit sind und in naher Zukunft werden einige Arbeiten zum Thema "extraretinale Photopigmente" (Opsine) veröffentlicht, die bei den bisher untersuchten Insekten an verschiedenen Stellen des Nervensystems vorkommen. Sie sollen in Verbindung mit der "biologischen Uhr" der Tiere stehen und sind ebenfalls wie die retinalen Opsine spektrumsspezifisch, was somit eine Bedeutung des im Habitat vorkommenden Wellenlängenbereichs zulassen würde.
                          Zu dem Folgenden kann Christian mehr sagen und mich bitte verbessern, wenn ich Müll erzählen sollte. Nicht alle in einem Primärwald lebenden Arten kommen innerhalb des Verbreitungsgebietes ebenfalls in wirtschaftlich genutzten Flächen vor. Diese Agrarflächen, selbst wenn sie schonend genutzt werden, weisen oftmals völlig andere Bedingungen auf, als der natürliche Wald (trockener, erhöhte Lichtintensität, andere Pflanzengesellschaften und somit andere Tiergesellschaften). Scheinbar sind einige Mantiden an bestimmte Mikrohabitate gebunden, die relativ enge Grenzen aufweisen. Hier liegt der Hund begraben. In den unteren Bereichen des natürlichen Waldes kommt nicht mehr das volle Spektrum des Sonnenlichts an, Temperaturschwankungen sind weniger stark ausgeprägt im Vergleich zu offeneren Flächen, mit Feuchtigkeitsschwankungen verhält es sich ähnlich, und die Beutezusammensetzung kann durch die natürliche Vegetation und Spezialisierung vorgegeben sein. Mit Annäherung an den Äquator verringern sich die Unterschiede im Hell-dunkel-verhältnis im Jahresverlauf und selbst Temperatur- oder Feuchtigskeitsschwankungen in den Habitaten vieler Sorgenkinder treten in den Hintergrund. Somit klingt das Ganze auf den ersten Blick ja ziemlich einfach, fast alles bleibt andauernd gleich und sollte, zumindest was die klimatischen Bedingungen betrifft, nachzustellen sein, aber.... Der Teufel steckt im Detail. Das Hell-dunkel-verhältnis reicht scheinbar nicht aus, eine reine Abhängigkeit von Tageslicht scheidet ebenfalls aus, denn viele der Tiere sind nicht nur tags unterwegs. Die Temperatur läßt sich im Terrarium einstellen, im Zweifelsfall verschiedene Bereiche, um dem Tier die Wahl zu bieten. Christian betreibt dies "ausgefeilter" als ich und trotzdem scheinen manche Arten Probleme zu machen. Tenodera, Sphodromantis und andere Bewohner mitunter offener Flächen bereiten diese Probleme nicht, im Gegenteil, sie vermehren sich wie Unkraut und sind kaum unterzukriegen.
                          Irgendwie muß es einen Parameter geben, der bisher untergegangen ist. Und das Lichtspektrum wäre eine Möglichkeit, da hierauf nicht geachtet wurde. Trotz Aufwerten des Futters mit Honig scheint dies bei Christian nichts gebracht zu haben. Natürlich sollten das Hell-dunkel-verhältnis, Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen beachtet werden, aber irgendwie habe ich das Gefühl, da fehlt noch was...

                          Gruß,
                          Jürgen

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                          • #14
                            Re: Gonadendormanz bei Orthoptera

                            Hi.

                            Interessante Aspekte hast Du da angesprochen, Gaby, das muß ich sagen. Ich habe mir mal das durch den Kopf gehen lassen, daher auch die etwas späte Antwort.

                            Zu Licht hat ja Jürgen schon einiges gesagt, und an anderer Stelle wurde auch schon mal darüber gesprochen. Nur soviel noch, da Du das Beipiel des Weihnachtssterns (ähnlich auch bei Tabak) gebracht hast: diese Pflanze ist eine Pflanze der Subtropen, nämlich der amerikanischen nebligen (Halb-)Wüsten. Daher schwankt in jenem Breitengrad die Tageslänge im Jahresverlauf schon um einige Stunden, was ausreicht, um als Trigger benutzt zu werden. Bei Tieren gibt es das auch, nämlich bei der Induktion von Diapausevorgängen bei noch günstigen Bedingungen.
                            In den engeren Tropen aber schwankt die Tageslänge höchstens um 1 h im jahr, was etwas wenig ist, um als Auslöser zu dienen. Auch wenn es theoretisch möglich wäre, sich danach zu richten, wieso reagieren nicht alle, in diesem Fall Mantiden, gleich? Statt dessen, wie schon von Jürgen und mir öfters geschreieben, pfeifen manche Arten auf Beleuchtung, Futter und Temperatur, während nah verwandte Arten offenbar nur einen engen Bereich vertragen (gesehen bei Acanthops, Sibylla u.a.), zumindest hinsichtlich der erfolgreichen Fortpflanzung.
                            In den Tropen spielen z.B. Niederschlags- und Temperaturschwankungen eine größere Rolle. So z.B. wird unregelmäßig alle paar Jahre v.a. in SO-Asien ein Massenblühen/Fruchten bei Bäumen induziert, dessen Ursache lange Zeit rätselhaft war, bis man rausfand, daß Perioden mit (für die Gegend) kalten Nächten, die oft mit El Nino zusamenhängen, der Auslöser sind. Normale Blüh- und Fortpflanzungsrhythmen hängen bekanntermaßen sowieso mit Trocken- und Regenzeit zusammen, v.a. bei saisonalen Lebensräumen.
                            Natürlich sagt das nichts darüber aus, ob spektrale Unterschiede in der Beleuchtung von Bedeutung sind, auch wenn die BeleuchtungsLÄNGE evtl. untergeordnet ist.

                            Zu Abschnitt drei muß ich nochmal betonen, daß Mantodea keinesfalls nur tagaktiv sind, v.a. Paarungen finden oft nachts statt. Da Männchen oft fliegen müssen, ist eine angemessene Nachttemperatur von großer Bedeutung. Man darf von den Tropen hier nicht auf gemäßigte Zonen schließen, auch wenn sich tropische Mantiden ebenfalls sonnen.
                            Es gibt sogar Arten, die eher nachtaktiv sind, gerade Deroplatys scheinen solche Kandidaten zu sein: ich habe sie selten tagsüber fressen sehen, nachts dafür umso öfter, auch wenn sie nur Fliegen als Beute hatten. Von Paarung und Oothekenablage ganz zu schweigen.

                            Besonders interessant ist der erste Teil. In der Tat spricht nichts dagegen, daß Mantiden bestimmte Inhaltsstoffe besonders mögen könnten, schließlich gibt es andere, die ihnen nicht schmecken. Wenn man etwas Übelschmeckendes wahrnehmen kann, wieso dann nicht etwas Nützliches?
                            Über all dem steht der Hunger, denn alle bisherigen Arbeiten, inklusive meiner eigenen, messen dem Hungerzustand eine größere Bedeutung zu als der Substanz, v.a. bei den Versuchen mit giftiger oder übelschmeckender Beute. Ihre Wirkung auf Mantiden ist dubios, denn manche Arbeiten finden eine, andere nicht, und das mit mehreren möglichen Giftstoffen. Allen gemeinsam ist, daß hungrige Tiere sich fast um nichts scheren und so ziemlich alles verputzen, vom Heliconius bis zur Milchkrautwanze. Hier siegt die Nahrungsnotwendigkeit über die Nahrungsgüte.

                            Die Tenodera-Bienen-Geschichte ist noch von einem anderen Aspekt her witzig, nämlich dem der Interpretation: die in den Artikeln genannten Beobachtungen lassen sich nämlich auch recht konservativ interpretieren:
                            Die Tiere sind nachts unten, weil sie am Abend runtergehen, weil es in Bodennähe am wärmsten ist. Am Morgen, der Sonne nach, gehen sie nach oben, wo die Bewegung an der Blüte sie aufmerksam auf diese macht, so daß sie bald dort sitzen. Und Bienen sind nun mal gute Beute, den sie bewegen sich unruhig, sind von optimaler Größe und dunkel gefärbt, alles Faktoren, die auf Mantodea unwiderstehlich wirken. Weil es dort eben viele Bienen gibt, und Bienen bessere Beute sind, ziehen sie diese anderen Blütenbesuchern vor (Falter dürften noch intensiver wirken, sind aber seltener). Das hat mit Pollen oder Geschmack erstmal nichts zu tun, sondern mit der Güte des Signals, daß die Beute ausstrahlt. Gleich verhält es sich mit den Ootheken. Sie sind so groß, weil die Weibchen gut genährt sind, und die Weibchen sind gut genährt, weil sie auf Blüten sitzen, wo rein statistisch mehr Beute vorhanden ist als auf blütenfreien Standorten (für Mantodea in gemäßigten Gegenden können solche Spätblüher kritisch für das Überleben der Population sein, denn oft wird es bereits wieder kalt, wenn sie adult werden und dann sind solche Pflanzen oft die einzigen mit nenennswerten Beutezahlen). Auch hier muß das nichts mit der Güte der Beute zu tun haben, sondern vielmehr mit deren Anzahl.
                            Das sollte zeigen, daß man solche Beobachtungen kritisch betrachten muß. Erst nach Auschluß dieser Aspekte kann man sich mit dem nutritionellen Wert bestimmter "vegetarischer" Komponenten in oder auf der Beute beschäftigen.
                            Aber natürlich interpretiert jeder seine Daten erstmal zu seinem Gunsten. Täte man das nicht, hätte man oft gar keine Daten...
                            Das ist nunmal das Los der Feldforschung.

                            In diesem Sinne,

                            VG,
                            Christian

                            [[ggg]Editiert von Christian Schw. am 04-06-2004 um 10:20 GMT[/ggg]]

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