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Haplodiploidie und Fortpflanzung bei Bienen u.a. Hymenopteren

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  • Haplodiploidie und Fortpflanzung bei Bienen u.a. Hymenopteren

    Hallo zusammen!

    Das kommt davon, wenn man sich zu später Stunde bei Bier und Sekt mit anderen über Gott und die Welt unterhält und vom Kapitalismus zum Altruismus kommt. So kamen wir dann zu staatenlebenden Insekten und meinem Argument, dass diese nicht besonders selbstlos seien, sondern (Stichwort "egoistisches Gen") einfach nur mit ihren Geschwistern näher verwandt, als sie es mit ihren Nachkommen wären.

    Zu Hause habe ich die Sache nochmal durchgerechnet und bekomme plötzlich große Zweifel an dieser Bio-LK-Lehrbuch-Weisheit, die bei entsprechender Gelegenheit (wie auch von mir gestern) wie das Vaterunser runtergebetet wird.

    Nun kenne ich mich mit Hymenopteren nicht wirklich aus. Um diese Legende von der 75%-Verwandtschaft der Arbeiterinnen mal etwas genauer nachrechnen und auch in andere Zusammenhänge bringen zu können, interessieren mich insb. folgende Fragen, wobei mir erstmal reichen würde, wenn es dazu modellhafte Untersuchungen gibt (ich vermute mal, dass die Honigbiene am besten untersucht sein wird):

    1.) Hat jemand die Verwandtschaft der Arbeiterinnen mal nachgeprügt? Mir ist immerhin eine Studie untergekommen, wo man wohl tatsächlich bei einer Wespenart eine Verwandschaft von durchschnittlich irgendwas um die 60% festgestellt hat.

    2.) Mit wie vielen Männchen paart sich eine Königin im Durchschnitt? Verwendet sie Spermien aller Männchen? Nach dem Zufallsprinzip oder werden sie in einer bestimmten Reihenfolge verbraten (z.B. im 1. Jahr die von Männchen 1, im 2. die von Männchen 2 usw...)?

    3.) Wie ist das Geschlechterverhältnis bei den Nachkommen? Legt die Königen mehr "weibliche" eier als haploide Männliche? Oder treffen die Arbeiterinnen hier eine Selektion bei der Aufzucht?

    4.) Wie und wann entstehen in einem Bienennest neue Königinnen? Meines Wissens gibt es wohl einen Inhibierungsmechanismus, der, solange eine Königin im Nest ist, die Entwicklung weiterer fortpflanzungsfähiger Weibchen verhindert. Dennoch sollte es Vorteilhhaft für den Genpool des Staates sein, sich auszubreiten. Bei anderen Hymenopteren können anscheinend mehrere Königinnen im Nest leben. Wie wird dort die Verbreitung gesteuert (irgendwann fliegen beispielsweise die Ameisen ja dann recht synchron aus)?

    Ich weiß, dass man im Netz hierzu alles Mögliche finden kann. Schön fände ich, wenn vielleicht hier ein Experte ist, der mir zuverlässige Quellen nennen kann. Ich befürchte, dass vieles in den Lehrbüchern einfach ungeprüft voneinander abgeschrieben wurde (so, wie ich als Kind immer gelesen habe, dass Kröten sich ausschließlich im Geburtsgewässer fortpflanzen, obwohl jeder denkende Mensch sofort erkennt, dass dies falsch sein muss, weil sonst ja niemals neue Biotope besiedelt werden könnten).

    Von daher, auch wenn manche Fragen naiv erscheinen mögen, habe ich sie hier mal eingeworfen.

    Danke und viele Grüße

    Mario
    Zuletzt geändert von Nasenmann; 19.12.2010, 20:44. Grund: Ergänzung

  • #2
    Hi Mario,

    ich habe gerade nicht viel Zeit. Darum ganz kurz und dafür ein paar Literaturhinweise:

    Ja, die Königin paart sich mit mehreren Männchen und die Arbeiterinnen haben unterschiedliche Väter. Ihr Verwandtschaftsgrad variiert daher und das scheint gut für die Fitness der Kolonie zu sein.
    Die Spermienselektion erfolgt zufällig, wobei es glaube ich gewisse Kompetitionsmechanismen unter den Spermien gibt, deren Details mir aber abhanden gekommen sind.
    Der "Antrieb" der Arbeiterinnen sollte evolutiv daher vor allem im Erfolg der mütterlichen Linie liegen. Die hängt aber entscheidend von der Kooperation der Arbeiterinnen.
    . untereinander ab, so dass die sich auch tunlichst gegenseitig unterstützen sollten, selbst, wenn Ihre Väter unterschiedlich sind. Hinzu kommt, dass der Vatererbteil bei Bienen unter 50% liegt
    Wieviele unbefruchtete Eier die Königin legt, hängt von der Populationsdynamik im Stock (und vom Alter der Königin, ganz alte legen immer viel unbefruchtete Eier) ab und wieviele Königinnen gezogen werden, "entscheiden" die Arbeiterinnen.
    Diploide Drohnenmaden werden von den Arbeiterinnen erkannt und aufgefressen – so



    Hier ein paar Paper, die evtl etwas weiter helfen:


    Mattila HR, Seeley TD. (2007)Genetic diversity in honey bee colonies enhances
    productivity and fitness. Science. ;317(5836):362-4.


    Tarpy DR. (2003)Genetic diversity within honeybee colonies prevents severe infections and promotes colony growth. Proc Biol Sci. ;270(1510):99-103.

    Beekman M, Allsopp MH, Jordan LA, Lim J, Oldroyd BP. (2009)A quantitative study of worker reproduction in queenright colonies of the Cape honey bee, Apis mellifera capensis. Mol Ecol. (12):2722-7.

    Laidlaw HH, Page RE. Polyandry in Honey Bees (APIS MELLIFERA L.): Sperm
    Utilization and Intracolony Genetic Relationships. (1984) Genetics. ;108(4):985-97


    http://www.agroscope.admin.ch/imkerei/00000/00294/index.html?lang=de&download=NHzLpZeg7t,lnp6I0NTU042l2Z6ln1ac y4Zn4Z2qZpnO2Yuq2Z6gpJCDeHt3gmym162epYbg2c_JjKbNoKSn6A--

    Viele Grüße


    Ingo
    Kober? Ach der mit den Viechern!




    Kommentar


    • #3
      Vielen Dank, Ingo!

      Diese Links sind allesamt schonmal sehr aufschlussreich (habe schonmal die Abstracts überflogen). Demnach scheint die Erklärung für die Evolution und Stabilität sozialer Strategien bei Insekten tatsächlich komplexer zu sein, als es Standard-Zoologiewerke wie etwa der "Wehner-Gehring" zu erklären versuchen.

      In Dawkins "Das egoistische Gen" gibt es auch einen Abschnitt über Hymenopteren, Termiten und Nacktmulle, und bezüglich der Hymenopteren wird natürlich dann auch die Haplodiploidie erwähnt. Allerdings ist sich Dawkins schon darüber bewusst, dass die Promiskuität hier Fragen aufwirft.

      Kommt eigentlich wirklich bei allen Hymenopteren (also auch den ganzen nicht-stattenbildenden Arten) Haplodiploidie in dem Sinne vor, dass aus unbefruchteten Eiern haploide Männchen und aus befruchteten Diploide Weibchen schlüpfen?

      Grüße und Danke

      Mario

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